Interview mit Michael “Padge” Paget von BULLET FOR MY VALENTINE

 

Eines der mit Spannung erwarteten Alben des Jahres 2008 erscheint direkt zum Jahresauftakt. Bullet for my Valentine legen mit „Scream, Aim, Fire“ ihr 2. Album vor, mit dem sie eine Gratwanderung zu bewältigen haben. Denn die Waliser müssen nicht nur ihren Kritikern beweisen, dass sie keinesfalls eine Eintagsfliege sind und der Erfolg von „The Poison“ nicht von ungefähr kam. Gleichzeitig gilt es die rasant angewachsene Fanbase zu erhalten und möglichst noch auszubauen. Mehr als genug Gesprächsstoff also für das sounds2move-Interview mit Gitarrist Padge, der sich Mitte Dezember telefonisch zu Wort meldete.

 

Weg mit dem Konzept-Korsett

Den Bullet-Jungs dürstet es nach Veränderung, und das direkt in mehrfacher Hinsicht. So wollte man sich nicht nur musikalisch verändern, sondern auch optisch anders präsentieren. So waren das Debüt „The Poison“ und die damit verbundenen Singles und EPs etwa optisch ziemlich stark an ein Konzept gebunden, nämlich in Form von Cartoon bzw. Anime-artigen Coverartworks, die vereinzelt auch mit dem Bandnamen des Quartetts kokettierten. Damit soll jetzt Schluss sein, was sich unter anderem darin äußert, dass Albumtitel und Artwork rein gar nichts miteinander zu tun haben. „Das Stück ‚Scream, Aim, Fire’“ ist schon vor über einem Jahr entstanden und hat ziemlich stark die Richtung des restlichen Albums vorgegeben. Außerdem mochten wir den Song und haben deshalb auch das Album so genannt. Eine richtige Geschichte oder Bedeutung steckt jedenfalls nicht dahinter“, eröffnet Padge das Gespräch. Womit man etwaige Spekulationen von Kriegsbefürwortung oder sonstigen militanten Neigungen zu den Akten legen kann. Das Albumcover ist ein weiterer Schritt raus aus dem Schatten der früheren optischen Vorgaben. Selbiges zeigt das weltberühmte „Los Angeles Theatre“ in Downtown Los Angeles, einen beeindruckenden Neo-Renaissance-Bau, der 1931 erbaut wurde. „Es ist nicht so, dass uns die alten Sachen angekotzt hätten, aber wir wollten einfach etwas Frisches und einfach Erwachseneres. In diesem Zuge haben wir auch unser Logo verändert, was ein Stück weit auch den gesamten Wandel von Bullet for my Valentine in der jüngsten Vergangenheit widerspiegelt“, so der Waliser.

 

No Budget, No War

Wer angesichts des Erfolges der letzten beiden Jahre darauf schließt, dass Bullet for my Valentine finanziell aus den vollen Schöpfen können, den wird die eine oder andere Ausführung des Gitarristen verwunden: „Wir haben kürzlich in Los Angeles ein Video zum Titeltrack gedreht, der auch die erste Single werden wird. Leider lies es unser Budget nicht zu, dass wir unsere ursprüngliche Idee in die Tat umsetzen konnten. Aufgrund der martialischen Ausrichtung von ‚Scream, Aim, Fire’  hatten wir geplant ein Kriegsvideo zu machen, aber das wäre uns zu teuer gekommen. Denn wir haben gesagt, wenn wir ein solches Video machen, dann muss es auch richtig fett werden. My Chemical Romance und Green Day haben bereits derartige Clips gedreht und dabei großartige Ergebnisse abgeliefert. Unsere Devise war es diese Videos entweder in die Tasche zu stecken oder es ganz zu lassen“, lacht Padge, der kurz darauf seufzend ergänzt, dass man es bei einem eher typischen Band-Publikum-Video belassen musste.

 

 

Kontrolliertes Vorrücken

Obwohl man den Unterschied zwischen dem ersten und dem bald erscheinenden Bullet-Album deutlich hören kann, haben sich die musikalischen Einflüsse nicht wirklich geändert. Padge: „Ich denke, dass unsere Einflüsse auf dem neuen Album ganz deutlich durchscheinen, etwa bezüglich des Tempos. ‚The Poison’ hatte einfach einen anderen Vibe und auch das Songwriting war noch ein anderes. Wir haben uns als Band einfach entwickelt und das ist dabei heraus gekommen“. Mit dem letzten Satz merkt man, dass der Mann am anderen Ende der Leitung schon einiges an Erfahrung sammeln konnte, nicht nur in musikalischer, sondern auch in geschäftlicher Hinsicht und im Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit. Die Floskeln, wie sie auch gern von den alten Hasen benutzt werden, sitzen jedenfalls. Dennoch lässt sich der Axtmann entlocken, dass „Say Goodnight“ – offenkundig eine tiefe Verbeugung vor den großen Helden Metallica - sein persönlicher Favorit auf dem neuen Dreher ist, da er nach Aussage des Musikers den Spagat zwischen Härte und Eingängigkeit mit Auszeichnung meistert. Daran dürfte auch Produzent Colin Richardson nicht unschuldig sein, der erneut für die Waliser an den Knöpfchen drehte, nachdem man in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen miteinander gemacht hatte. „Ich denke beide Seiten lieben es miteinander zu arbeiten, daher haben wir von Beginn an gesagt, dass wir nur ihn und niemand anderen wollen“, lobt Padge. Für die Zukunft könnte man sich aber auch die Arbeit mit einem anderen Klangguru vorstellen, wobei einer der im Interview wahllos in die Runde geworfenen Namen unerwartet konkretes Feedback erhielt: „Haha, du wirst lachen, aber der Name Rick Rubin ist in der Tat gefallen. Aber wir sind einfach noch eine junge Band, die noch wächst und deren zweites Album nicht mal draußen ist. Mit ihm schon jetzt zu arbeiten wäre ein Schritt zu weit für uns gewesen“, lässt man amüsiert wissen.

 

 That’s live

Das hoch gelobte Debüt von Bullet for my Valentine ging Hand in Hand mit einer Vielzahl an attraktiven Konzertangeboten, sowohl im Bezug auf Tourneen, als auch im Bereich der Open Airs. Mit nur einem Album können sich die Waliser rühmen auf so ziemlich jedem namhaften Festival gespielt zu haben. Dabei kamen auch Supportshows für die ganz Großen dieser Tage rum, etwa für das Bay Area-Aushängeschild Metallica oder die Eiserne Jungfrau Iron Maiden. Da stellt sich natürlich zwangsläufig die Frage was da noch kommen kann und welche Träume es sich unter Umständen noch zu erfüllen gilt. „Natürlich müssen WIR die Headliner werden“, lacht Padge. „Aber mal im Ernst: Sicherlich ist es eine große Ehre für uns, dass wir mit vielen unserer Helden bereits auftreten durften. Aber unterm Strich ist es mir egal wo auf der Welt ich in wie großen Hallen spiele. Wichtig ist, dass du die Energie der Fans vor der Bühne spürst und dass anständig was geht. Ich spiele lieber für 200 eingefleischte Fans als für 20.000, die sich nicht die Bohne für uns interessieren“, kehrt die kämpferische Sachlichkeit in das Gespräch zurück. Allerdings will man unbedingt noch mal im neuen Wembley Stadion spielen, denn ein erstes Angebot dort für James Hetfield und Co. im vergangenen Jahr zu eröffnen ist einer gesundheitsbedingten Zwangspause von Sänger Matt Tuck zum Opfer gefallen. Übrigens genauso wie der Auftritt beim Wacken Open Air, den uns die Waliser somit noch schuldig sind. „Also wir haben die Show auf jeden Fall auf dem Zettel, selbst wenn noch nichts offiziell bestätigt ist. Ich hoffe diesmal werden alle gesund sein und wir kommen dazu unsere Show nachzuholen. Wir konzentrieren uns im Sommer zu 100% auf die europäischen Festivals und wollen davon so viele wie möglich spielen“.

 

Abgebrühte Kampfansagen

Hört man erstmalig in das Zweitwerk des Quartetts rein, dann stellt man ziemlich schnell einen eher traditionellen Gesamtsound der Kompositionen fest. Gleichermaßen haben Bullet for my Valentine einige Briketts mehr in den Härte-Ofen geworfen, was man von außen betrachtet sicher auch als kleine Reaktion auf missbilligende Kritiker der ersten Platte verstehen kann. Man darf also ganz unverblümt sagen, dass „Scream, Aim, Fire“ mehr „Metal“ im traditionellen Sinne ist? „Ja, das war eines unserer Ziele“, bestätigt Padge. Und was waren die anderen? „Angesichts des Erfolges von ‚The Poison’ hatten wir viele Ungläubige, die meinten wir wären eine Emo-Truppe und keine Metalband. Aber das ist garantiert nicht der Fall! Alle von uns sind mit Metal aufgewachsen und auch bis heute dabei geblieben. Wir wollten ein Album machen, das ein Stück weit diesen Leuten auch klar macht, dass sie Scheiße erzählt haben und dass wir sehr wohl eine Metalband sind“. Und auch zur erhöhten Schlagzahl gibt es konkrete Ansagen:  „Auf dem neuen Album gab es viel Platz für Soli und mein Job als Gitarrist ist es, diese Lücken zu füllen“, wehrt Michael lapidar und zugleich abgebrüht ab. Ebenso gekonnt schlängelt sich der Axtmann auch um die nächste kleine Stolperfalle, nämlich die Frage, ob man nicht Gefahr läuft einige zart besaitete Anhänger des sehr eingängigen Vorgängers mit dem neuen Album in gewisser Weise zu verschrecken. „Als Band gewinnst du eigentlich täglich neue Fans hinzu und verlierst ein paar alte. Darüber haben wir uns nicht so viele Gedanken gemacht, aber wir hoffen natürlich unsere Fanbase zu erhalten - und zusätzlich neue Fans zu gewinnen. Man muss abwarten ob uns das gelingt. Ich bin mir aber sicher, dass uns viele Fans mögen, weil sie an uns glaube und nicht wegen des Härtegrades unserer Songs“.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

Link: www.bulletformyvalentine1.com