Interview mit Justin Furstenfeld von BLUE OCTOBER

 

 

Euer letztes Album "Any Man in America" war von der textlichen Seite betrachtet eine sehr düstere und negative Angelegenheit. "Sway" hingegen behält zwar eure mittlerweile typische Melancholie, deine Texte sind diesmal aber weitaus optimistischer. Das kann uns natürlich alle nur freuen, denn es bedeutet auch, dass du in einem weitaus positiveren und einfach besseren Geisteszustand bist als noch vor ein paar Jahren, als "Any Man in America" erschien und du ziemlich mit dem Sorgerechtsstreit um deine Tochter zu kämpfen hattest. Dein Leben muss sich seit dem deutlich zum Besseren verändert haben.

 

Danke und ja, mein Leben hat sich großartig entwickelt und unglaublich zum Guten verändert. Es gibt irgendwann einen Punkt im Leben, an dem du das Schlechte einfach hinnehmen musst, um gleichzeitig auch erkennen zu können was das Beste für deine Gesundheit ist. Ich musste einfach aufhören, alles und jeden zu bekämpfen, und das war das befreiendste und freudigste Gefühl überhaupt, denn es ermöglicht es dir, die Vergangenheit los zu lassen und nach vorne zu blicken.

 

Es war schon immer ein Alleinstellungsmerkmal von Blue October, dass deine Texte sehr viel authentischer und autobiografischer sind als bei den meisten anderen Rockbands da draußen, wenngleich dich das natürlich auch angreifbar und zerbrechlich macht. Ist es für dich wichtig deine Worte ungefiltert niederzuschreiben, um diese Katharsis durchlaufen zu können auf die sich viele Texter beziehen?

 

Wenn ich Texte schreibe, dann öffne ich immer auch eine Tür zu meinem Herzen, wie zerrissen, gebrochen oder ramponiert es auch sein mag. Durch Songtexte bekommt man die Fähigkeit, Bilder in den Köpfen der Menschen zu malen. Dazu reichen mir ein oder zwei Farben nicht, denn ich will immer ein lebendiges und deutliches Bild zeichnen. Warum jemandem nur Bruchstücke seiner Gedanken vorlegen, wenn man ihm stattdessen auch ganze Sätze präsentieren kann?


Eure Musik ist natürlich der andere große Faktor. Es ist euch gelungen, über die Jahre einen eigenen Sound zu erschaffen, den zu beschreiben ein einzelner anderer Künstlername bei weitem nicht ausreicht. Als Schreiberling bekommt man ja so einiges auf seinen Tisch, aber mir ist noch niemand untergekommen, der wie Blue October klingt. Glaubst du, es gibt so etwas wie eine geheime Formel bei euch?

 

Ich glaube, dass dieser Sound entsteht, weil wir jedes Genre und jede Form von Musik respektieren. Viel Musik mit der ich aufgewachsen bin, höre ich mir heute noch an: Peter Gabriel, The Smiths, The Cure, Joy Division, Cocteau Twins, Ella Fitzgerald, Sigur Ros, Michael Jackson, Marvin Gaye, Deftones, Pink Floyd... Wenn du das alles zusammenwirfst, kommt dabei Blue October heraus.

 

Wenn ich mich nicht irre, hattet ihr ursprünglich einmal angekündigt, den Song "Still broken" von deiner ehemaligen Band The Last Wish für "Sway" neu einzuspielen. Letztendlich fehlt das Stück aber auf der Platte, dafür findet sich eine Nummer namens "Not broken anymore" am Ende der Scheibe, ein Titel, der auch viel besser zum positiven Vibe des Albums passt. Gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Stücken, bzw. ist "Not broken anymore" gewissermaßen eine direkte Reaktion auf "Still broken", quasi ein inhaltlicher Gegenentwurf? Die Aussage hinter dem Song könnte auch gut als Synonym dafür dienen, dass du die Düsternis von "Any Man in America" hinter dir gelassen hast.

 

Vor allem passt "Not broken anymore" viel besser zum hoffnungsvollen Aspekt des Albums, das war mir sehr wichtig. Wenn wir stattdessen "Still broken" drauf gepackt hätten, dann wäre das so gewesen, als wenn ich einen großen Nagel mitten ins Bild geworfen hätte.

 

Einer meiner Lieblingssongs auf "Sway" ist "Things we do at Night". Lass mich aus diesem Titel die nächste Frage formulieren: Was sind das für Dinge, die du persönlich eher nachts als am Tag machst? Mal abgesehen von schlafen, hehe.

 

Nachts laufe ich gerne umher und sauge meine Umgebung in mich auf. Naturgemäß sind die Sinne in der Nacht, wenn fast alles ruhig ist, unglaublich geschärft und man nimmt Dinge wahr, die einem tagsüber nicht auffallen würden. Gerüche, Geschmäcker, das Spiel des Windes und andere kleine Geräusche. Ich schaue mir auch gerne die Sterne an oder genieße einfach die Stille, um in Ruhe und ohne gestört zu werden nachzudenken und mich nur auf meine Gedanken zu konzentrieren. Nebenbei höre ich dazu aber auch gerne mal Vivaldi.
 

Kürzlich hattest du einen Gastauftritt, als du ein Duett namens "Medusa" für das aktuelle Album der finnischen Sängerin Tarja Turunen eingesungen hast. Es wäre interessant zu erfahren, wie ihr beide zueinander gefunden habt, denn man muss schon feststellen, dass ihr musikalisch aus ziemlich unterschiedlichen Richtungen kommt. Wie haben sich eure Wege gekreuzt?

 

Die Initiative ging von ihr aus, sie hat versucht mich für ihr Album zu gewinnen, was auch eine relativ einfache Sache war, da wir in Tim Palmer (englischer Produzent, der bereits für beide an den Reglern saß - MR) einen gemeinsamen Freund haben. Es hat mich wirklich umgehauen, dass sie ausgerechnet mit mir auf ihrem Album singen wollte. Das Stück, das sie mir präsentierte, ist wunderschön, und ihre musikalische Arbeit und ihr Gesang sind wirklich ein Geschenk der Götter. Von ihr gefragt zu werden, mit ihr gemeinsam einen Song zu singen, ist als würde man in einer fantastischen Oper vor einem Millionenpublikum auftreten. Alle würden wunderschöne Kleider und perfekte Smokings tragen, und die Oper würde vermutlich auf dem elegantesten und schönsten Friedhof überhaupt aufgeführt - und zwar um Mitternacht.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de 

 

Link: www.blueoctober.com