Interview mit BETH HART

 

 

Wenn man die US-amerikanische Sängerin Beth Hart auf ein Schlagwort reduzieren müsste, dann würde man mit „facettenreich“ womöglich eine ziemlich gute Wahl treffen. Denn was die 36-jährige auf ihrem aktuellen Album „37 Days“ präsentiert, ist vor allem in stimmungstechnischer und inhaltlicher Sicht auf ein sehr breites Fundament gebaut. Man nehme als Beispiel nur die Nummer „Sick“, in der die Autorin ihre Ansichten zur Politik von US-Präsident Bush vertont hat und das von seiner Machart her für Beths Verhältnisse regelrecht ruppig daher kommt. Dagegen ist die erste Single „Good as it gets“ ein luftiger, bluesiger Popsong mit dezenter Ironie und einer durchweg positiven Message, während die Amerikanerin über die schönen Momente im Leben philosophiert. Im krassen Gegensatz zur traurigen Piano-Ballade „Jealousy“ oder dem lyrisch trostlosen „At the Bottom“. Beth Hart – eine Künstlerin der Gegensätze mit großem Hang zu musikalischer wie inhaltlicher Variation? „Auf jeden Fall, sonst würde mir schnell langweilig werden“, stimmt Beth zu. Neben bereits erwähntem „Sick“ richtet sich auch „Face Forward“ an den scheidenden stärksten Mann der Welt, das zudem mit einem netten Rolling Stones Gitarrenzitat daher kommt. Absicht? „Wir waren gerade im Proberaum, als wir zu der Idee kamen. Außerdem musste ich daran denken was für ein Arschloch George Bush ist, deshalb habe ich diesen Song quasi an ihn geschrieben“, erzählt Beth.

 

Doch diese Zerrissenheit wenn man es so nennen will, diese pendelnden Stimmungen, kommen nicht von ungefähr. Mitte der Neunziger – Beth hat gerade reihenweise Talentwettbewerbe und Auszeichnungen (u.a. die US-Urversion von Star Search) abgeräumt – will sie gerade mit ihrem Debüt „Immortal“ durchstarten, da steht ihr ein äußerst hartnäckiger Gegner im Wege: Nämlich sie selbst. Beth sucht ihren Platz im Leben, ist verärgert, frustriert und mental verwirrt. Die Sängerin rettet sich in die verhängnisvolle Welt von Sucht und Drogen. „Immortal“ erscheint (unter dem Banner Beth Hart Band), doch nach der darauf folgenden Tour zerbricht die Band und die meisten erklären die Karriere der damals noch jungen Beth Hart bereits voreilig als gescheitert. Doch 1999 wird „Screami’ for my Supper“ nachgelegt, das mit „L.A. Song“ und „Get your shit together“ sogar zwei kleine Hits in den Staaten zu bieten hat und die mittlerweile im Janis Joplin Musical „Love, Janis“ die Rolle der Hauptdarstellerin einnehmende Beth auf der Bildfläche zurück meldet. Doch ihre steinige Vergangenheit und die Erinnerung an die einstige Abhängigkeit und der damit verbundene körperliche und seelische Schmerz wird noch heute regelmäßig in Harts Texten thematisiert, wie die Künstlerin bestätigt. „Sehr oft sogar. Die Schande, die die Abhängigkeit mit sich bringt, wird mich auf alle Zeit wie ein dunkler Schatten begleiten. Allerdings schöpfe ich aus der Musik auch Hoffnung, die mir meinen Weg weist“, zeigt sich Beth pathetisch. Damit wäre auch die Frage geklärt wie autobiografisch die Texte Protagonistin sind.

 

Und noch einen anderen Einfluss darf man nicht vergessen: „Europa! Europa ist einfach großartig und hier fühle ich mich am meisten zu Hause. Die Menschen hier sind einfach viel offener, auch was die Ausrichtung und Bandbreite eines Künstlers betrifft“, tönt es voller grundehrlicher Begeisterung. Vor allem in Holland (wo auch Beths DVD „Live at Paradiso“ aufgezeichnet wurde, MR) und Dänemark ist die Sängerin mit der markanten, rauen Stimme eine feste Größe, was auch erklärt warum ihr Tourschwerpunkt regelmäßig auf diesen beiden Ländern liegt. „Holland ist unheimlich vielseitig, ich liebe es dort zu sein. Außerdem scheint es mir so, als ob sie es sehr begrüßen, wenn man aufrichtige Musik macht, die wirklich von Herzen kommt“, ist Frau Hart von unseren Nachbarn angetan. Übrigens sind die Live-Aktivitäten der Künstlerin einer der Hauptgründe dafür, dass zwischen dem letzten Album „Leave the Light on“ (2003) und dem aktuellen Output stattliche 5 Jahre liegen. „Wir waren mehrfach monatelang auf Tour für das letzte Album. Unterwegs versuche ich keine Songs zu schreiben, weil ich meine ganze Energie in die Konzerte stecken will. Wenn dann zu Hause wieder etwas Zeit war, konnte ich auch immer mal wieder an neuem Material arbeiten. All zu lange halte ich es daheim allerdings nicht auf, denn wenn ich zu lange dort bin fange ich an mich ziemlich beschissen zu fühlen“. Da hat die Kalifornierin ja Glück, dass sie dieser Tage Everlast bei einigen Shows in Deutschland und Österreich supporten darf und somit von der heimischen Couch weg kommt. „Ich weiß noch nicht genau was ich von diesen Shows erwarten soll“, erzählt sie. „Ehrlich gesagt bin ich ein wenig nervös und hoffe, dass ich mit dem Everlast-Publikum zurecht kommen werde und dass sie mich gut aufnehmen werden. Aber man kann nie sicher sein was einen erwartet, also solltet ihr mich im Zweifelsfall lieber in eure Gebete einschließen“, lacht Beth.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.bethhart.de