Interview mit AXEL RUDI PELL

 

 

Hi Axel, wie viele Interviews hast du heute schon gegeben?

 

Es waren einige... gezählt habe ich sie nicht mehr; das mit dir ist das letzte Interview heute.

 

Dann will ich keine Zeit verlieren und du bist bald erlöst... Zuerst mal Glückwunsch, deine neue CD gefällt auch mir notorischem Melodic-Verrisse-Schreiber. Meine dreiste Review-Überschrift zu "Tales Of The Crown" lautete "Axel ist besser als Axl". Weshalb? Weil eure CD "Tales Of The Crown" mich sehr nostalgisch werden lässt (Axl schafft das nicht mit seinem Genöle). DIO-Zitate gibt es vor allem im Gesang, aber auch in der Art der Komposition. Erzähl einmal, was gefällt dir so dermaßen gut an der alten Heavy-Rock/Metal-Schule?

 

Ganz klar: die Melodien. Das ist auch der Grund, weshalb ich zum Beispiel New Metal nicht empfehlenswert finde; da geht bei mir alles links zum Ohr rein und rechts wieder raus. Nein, Melodien sind das A und O dieser Musik. Du hast schon die neue Guns N’ Roses? Und?

 

Mir zu glatt, zu wenig Esprit, Charme. Keine Revolution, zu airplaytauglich, aber auch wieder nicht wirklich schlecht gemacht.

 

Verstehe.

 

In meinem Review schrieb ich, dass auch RUNNING WILD, BLACK SABBATH und RAINBOW dir sehr gefallen müssten. Was transportieren diese Bands, was es z.B. im Metal Core nicht gibt?

 

Auch hier kann ich nur sagen, es sind diese Melodiebögen, die mich faszinieren. Modernere Sachen transportieren nicht diese Emotion, diesen Fluss von Akkorden, diese feinen einfachen Melodien.

 

Okay. Der Gesang ist m.E. stark an Toni Martin und Dio orientiert, was mir ein Lächeln über das nicht allzu häufig amüsierte Antlitz zaubert, vor allem die immergleiche Stimmanhebung in den Refrains (ich werde schon manchmal an „Rise Up - See The Shining - Live Long - Live Now - oooohh...“ u.ä. erinnert, Anm. ME) und das typische "Yeaaah, Yeaaah" nach Hauptgesangslinien. Habt ihr schon einmal daran gedacht, tiefe Vocals oder Growls einzubauen?

 

Oh, nein, niemals! Johnny (Gioeli, Gesang, Anm. ME)  würde das niemals tun... RAINBOW, DIO und BLACK SABBATH gefallen uns natürlich, klar, da finden sich auch diese klassischen Melodien und Gesangslinien. Johnny kommt aus dem klassischen Rockbereich, da will er auch bleiben.    

 

Zu SIX FEET UNDER soll er auch nicht gehen... CHILDREN OF BODOM machen auch Metal Musik alter Schule, bauen jedoch gemeinen Gesang ein. Ist dir das zu schlechtgelaunt?

 

Ich muss ehrlich sagen, von denen habe ich noch nie etwas gehört.

 

Kaum zu glauben... Wechseln wir das Thema, gehen wir weg von den Totenköpfen. Wie würdest du eure Entwicklung beschreiben? Gibt es noch STEELER-Elemente in eurer Musik?

 

Im Hintergrund vielleicht. Eher kann man sagen, dass unsere Kompositionen reifer geworden sind, mit der Zeit gewachsen. Wir sind seitdem viel melodiöser geworden und haben sozusagen unseren Stil gefunden.

 

Das kann man getrost unterschreiben. Hattest du schon einmal Lust, was ganz anderes zu machen? Deine Leads und Licks sind präzise, transparent, technisch astrein und extrem swingend. Könntest du auch Alternativ Rock machen? Oder Postrock? Kannst du mit "modernem" Metal etwas anfangen?

 

Ganz klare kurze Antwort: überhaupt nicht!

 

War klar irgendwie, was frag ich überhaupt noch. Das Riffing vom Opener "Higher" ist fett, laut, druckvoll-effektiv. In den 80ern reichten die ersten Takte und man kaufte die LP sofort. Woher nimmst du die Inspiration für solche Hooks? Fällt dir sowas im heimischen Forst ein oder in der Straßenbahn in Wattenscheid?

 

Haha, ich wohne seit einiger Zeit in Bochum! Dieses Blues-Riff hatte ich plötzlich im Kopf; aus den Einzelanschlägen werden die Akkorde. Sowas kann mir überall einfallen, z.B. im Supermarkt...

 

"Touching My Soul" ist ein dermaßen an alte RAINBOW erinnernde Ballade, gerade vom Gesang und den luftigen Vibes her. Dein Solo ist richtig gut. Habt ihr nicht Angst, dass DIO diese Nummer demnächst spielt?

 

Danke, das wäre richtig cool, da freut sich die Gema... Dio kenne ich gut übrigens, er mochte unser „Kings And Queens“-Cover sehr; es erinnerte ihn wohl an die alten Zeiten.

 

Wahrscheinlich auch der Titel... Das virtuose Instrumental "Emotional Echoes" gefällt mir extrem gut. Die RED HOT CHILI PEPPER-Sommervibes verbunden mit traditioneller Soloausrichtung der Achtziger wären es doch wert, weiterverfolgt zu werden. Könntest du dir vorstellen, aus solchen Rhythmen ein ganzes Album zu machen?

 

Interessant, dass dir ausgerechnet dieser Song so gefällt. RED HOT CHILI PEPPERS-ähnlich? Könnte man sagen, ja. Dieser Track wurde von diversen Kritikern als untypisch und deshalb als nicht auf das Album passend angesehen. Klar, ich könnte mir durchaus vorstellen, so etwas weiterzuverfolgen, allerdings verkaufbar wäre das nicht, zumindest nicht unter meinem Namen. Dafür fällt das zu sehr aus dem Rahmen. Wie lang sollte so ein Album denn ausfallen?

 

Von mir aus 45 – 50 Minuten.

 

Wie??? Haha... nein, das wäre zu lang, dafür interessiert sich kaum einer... höchstens unter anderem Namen.

 

Doch, ich. Behalte die Idee mal im Hinterkopf... Nehmen wir noch „Buried Alive“: das Riff gefällt mir besonders. Kennst du SAVAGE und CHATEAUX? Die waren mal ähnlich konsequent bezüglich sägender Gitarren.

 

Nein, die kenne ich nicht, kann mir aber vorstellen, was du meinst.

 

Euer Line-Up besteht nun schon seit 10 Jahren, sehr selten heute. Auch hier seid ihr beständig. Wer von euch ist der ausgleichende Pol? Du?

 

Ich denke schon, dass ich das Ganze zusammenhalte, auch Mike (Terrana, Drums, früher u.a. MALMSTEEN, Anm. ME) wirkt ausgleichend. Er ist damals nach dem Weggang von Jörg (Michael, Drummer bis 1998, Anm. ME) spontan bei uns eingestiegen, Anruf genügte sozusagen; so ist er auch heute noch, hilfsbereit, engagiert. Insgesamt ergänzen wir alle uns ideal.

 

Klingt solide. Erzähle kurz, was sich hinter dem Titel "Tales Of The Crown" verbirgt. Wovon handeln die Texte?

 

Es handelt sich natürlich um Phantasy-Texte. Im Grunde ist „Tales Of The Crown“ ein Konzeptalbum innerhalb eines übergeordneten Entwurfs. Angefangen hatte die Story seinerzeit mit „Oceans Of Time“ vor zehn Jahren im Jahre 1998; die Geschichte ist sozusagen eine Zeitreise der fünf Hauptpersonen bis hin zum heutigen Album „Tales Of The Crown“. Die Krone wird dem Bösen schließlich entrissen; dazu müssen seitens der fünf „Helden“ diverse Abenteuer bewältigt werden.

 

Ich werde die Geschichte noch mal studieren. Die Weihnachtszeit eignet sich für solche Stories gut. Wer denkt sich eigentlich die Texte aus? Wie entstehen die Musik und Texte? Bereitest du alles vor und die anderen Bandmembers geben ihren Senf dazu oder entsteht alles spontan im Studio?

 

Im Grunde mache ich alles. Was ich im Kopf habe, nehme ich auf einen digitalen Aufnahmerecorder auf. Manches verwerfe ich wieder, anderes spinnt sich wie von selbst fort. Natürlich gibt es  von den anderen Mitgliedern Vorschläge für Gesangslinien oder Variationen.

 

Wie lange braucht ihr für den Prozess, d.h. Aufnahmen, die Entstehung der Tracks und das Einspielen?

 

Vom Sammeln der Ideen, z.B. Einfällen im Supermarkt, dem Aufnehmen auf das stets bereite Diktiergerät bis zur Ausführung dauerte das Ganze etwa sechs Wochen. Zuerst standen die Refrains, dann folgt das Übrige. Ich habe dann noch an den Texten geschraubt, vielleicht fünf bis sechs Tage.

 

 

Hut ab, solange brauche ich für einen Chorus... Hat euch Charlie B. sehr in das Material reingeredet oder lässt er euch machen?

 

Er redet uns überhaupt nicht in das Konzept hinein. Charlie ist neutral, redet nicht viel sondern kümmert sich hauptsächlich um technische Aspekte. Immer wieder nimmt er sich die Noten vor und versucht die Produktion zu optimieren. Ich würde einen Produzenten, der mir reinredet, auch sofort feuern.

 

Mike bietet eine sehr professionelle, variantenreiche Vorstellung. Da trennt sich die Spreu vom Weizen.

 

Mike war immer schon sehr professionell. Dazu eine Anekdote: Wir haben ihn damals ja über die Roland-Grapow-Künstlervermittlung des Ex-Helloween-Gitarristen kennen gelernt. Ich dachte: „Was für ein cooler Drummer“, während ich das noch dachte, kam schon ein netter Brief von Mike: „How can I help you?“

 

Ist es nicht sehr schwierig, Musik zu komponieren und gleichzeitig zu produzieren? Ist man da nicht bald betriebsblind?

 

Ich denke nicht. Nur ich weiß, wie es klingen soll. Solange man die Übersicht behält, gilt, „Never change a winning team“.

 

Bei soviel Englisch auf einmal müssen wir bald das Wörterbuch bemühen. Was anderes: Werdet ihr uns in Essen beehren und das neue Material vorstellen? Wann?

 

In Essen nicht, aber in Bochum, und zwar im Februar 2009 werden wir mehrere Konzerte geben. (Hier sollte man erwähnen: die Konzerte am 06.02. und 07.02.2009 sind bereits ausverkauft; Karten gibt es nur noch für den 08.02.2009 in Bochum, ME).

 

Bei soviel Konstanz, Bodenständigkeit und Old-School-Besinnung drängt sich folgende Frage nahezu auf: Wie lange machst du noch solcherart Musik?

 

Ich sag es mal so: Vielleicht werde ich eines Tages tot im Aufnahmeraum gefunden. Solange es mir gefällt und es Leute gibt, die zuhören, noch zwanzig Jahre bestimmt.

 

Fein, das hatte ich nicht anders erwartet, ehrlich gesagt. Und zuletzt, was hältst du von den neuen AC/DC und METALLICA? Sind derzeit quasi Pflichtfragen...

 

Was AC/DC betrifft, finde ich die neue CD weitaus besser als die beiden davor. Es wird sicher kein Klassiker. Die Refrains sind manchmal recht absehbar, allerdings singt Brian wieder richtig gut in der Strophe.

Über die neue METALLICA war ich angenehm überrascht. Sie ist wesentlich besser als „St. Anger“. Wobei mein Fave immer das „Black“-Album bleiben wird. Auch „Fight Fire With Fire“ gefällt mir sehr. Das neue Werk ist wieder packender, besinnt sich auf die Wurzeln, erinnert an früher. Das gefällt mir.

 

Die Sandpapierproduktion mal weggelassen ist das METALLICA-Album in der Tat gut, sollen die *zensiert* doch sagen, was sie wollen... Danke für das freundliche Gespräch zu beinahe nächtlicher Stunde.

 

Alles klar! Danke für dein Interesse!

 

ME – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.axel-rudi-pell.de