Interview mit Brandon Saller von ATREYU

 

 

„Wir wollten einfach was Neues machen“

 

„Wir wollten einfach was Neues machen. Etwas, das wir schon länger machen wollten.“, so Brandon Saller, Drummer der Kajal-Helden Atreyu. Eine Band, die eigentlich immer genau wusste wie man Herzschmerz aufregend, packend und ehrlich vertont und in ein äußerst feines Emo und Metalcore-Korsett schnürt, ohne dabei gewisse Hard Rock-Anleihen außer Acht zu lassen. Doch jetzt ist alles anders: Der Kajal klebt vielleicht noch an den Augen, die Texte handeln auch noch von Herzschmerz (zumindest ab und zu), doch wo ist der alte Sound hin? Weg! Jetzt, nach vier Alben der bereits erwähnten Emo/Metalcore-Mischung in fast vollendeter Perfektion schlagen die Jungs einen neuen Weg sein: „Lead Sails Paper Anchor“ folgt dem des Hard Rock! Natürlich erkennt man immer noch, dass es Atreyu sind. Hard Rock-Elemente zogen sich ja bereits durch die gesamte Diskographie, man nehme nur den Übersong „Right Side Of The Bed“, der auf einem lupenreinen Hard Rock-Riff basiert oder „Ex’s And Oh’s“ vom letztjährigen Album „A Death-Grip On Yesterday“. Doch was ganz besonders auffällt und die Neuorientierung maßgeblich beeinflusst ist, dass Shouter Alex Varkatzas nun fast völlig aufgehört hat zu schreien. „Er hat natürlich seine Stimme ausbauen können über die Zeit. Wir haben auch verschiedene Sachen versucht, aber zu den neuen Songs passte es nicht mehr so. Außerdem hatte Alex die Nase voll vom Schreien, das tat er jetzt drei Alben lang und nun war es Zeit für was Neues. Allerdings gibt es immer noch Parts wo er schreit.“, so Brandon. Solch krasse Stilwechsel können natürlich auch immer einen Verlust von Fans als Folge haben, doch davor haben Atreyu keine Angst: „Man verliert immer Fans – und gewinnt neue dazu. Leute, die Atreyu wirklich gern haben, werden das neue Material sicherlich mögen und damit klar kommen. Angst haben wir da nicht.“ Noch dazu kommt, dass Atreyu auch noch mit elektronischen Elementen, dem Piano und Bläsern arbeiteten, was sicherlich auch nicht jedem Fan von „Suicide Notes And Butterfly Kisses“ oder „The Curse“ gefallen wird. „Wir wollten einfach was Neues machen [das haben wir doch schon mal gehört – Anm. d. A.] und die Songs mit Sachen wie elektronischen Spielereien, Bläsern, Piano, Steel Guitar und so weiter aufwerten.“.

 

Vom Songwriting  bis in die Zukunft

 

Guckt man auf die Backcover von „A Death-Grip On Yesterday“ und „Lead Sails Paper Anchor“, wird man auf ersterem eine „2006“ und auf letzterem eine „2007“ finden. Das sind die Jahre, in denen die Alben veröffentlicht wurden. Klingt komisch, ist aber so. Woher nimmt eine Band, die fleißig tourt nur die Zeit ein neues Album in anderthalb Jahren zu schreiben und aufzunehmen? Brandon klärt auf: „Das letzte Album war schon eine Weile draußen und wir wussten nicht mehr was wir machen sollten. Wir schrieben also eine neue Platte auf der Tour und den Großteil zu Hause für ein neues Label und alles lief super. Es ist eine großartige Platte für uns.“ Textlich geht es nicht mehr so offensichtlich um Herzschmerz wie früher. Dennoch sind die Texte sehr tiefgründig und persönlich. Hatte Sänger Alex Varkatzas doch einige private Probleme im letzten Jahr. Dann ging es natürlich an die Produktion. Aufgenommen wurde mit John Feldmann, der ein „cooler Typ ist, der dir immer hilft“, so Saller. So half Feldmann auch beim Strukturieren der Song, obwohl es für Atreyu eher untypisch ist, sich von Außen helfen zu lassen. Mit Erfolg: Hört man sich  mal „Blow“ oder „Falling Down“ an merkt man, dass sich hier lupenreine Hard Rock-Songs auf dem neuen Album „Lead Sails Paper Anchor“ befinden. „Ja, so etwas würden wir auch gerne weiterhin machen. Definitiv! Es ist allerdings auch schon immer ein Stilmittel von uns gewesen.“

 

That’s Business

 

Atreyu haben sich bekanntlich vom Indie-Riesen Victory Records getrennt. Ein Label, das schon Bands wie Thursday, Taking Back Sunday, Hatebreed oder Hawthorne Heights groß machte. Allerdings sind auch alle Bands zur Industrie gewechselt. Jetzt haben Atreyu gleich zwei neue Zuhause: Hollywood Records, ein Label welches auch Acts wie Kelly Clarkson unter Vertrag hat und bei dem Atreyu die härteste Band ist. In Europa ist Roadrunner Records der neue Vertragspartner. Die Frage ist warum Atreyu für Nordamerika nicht wieder ein „reines“ Rock, Metal oder Hardcore-Label genommen haben sondern Hollywood Records, welches gar nicht so viel mit harter Musik zu tun hat. „Unser Vertrag mit Victory Records war erfüllt. Wir wollten auf zu neuen Ufern und bei Hollywood Records ist niemand wie wir. Aber das Label war wirklich daran interessiert uns zu bekommen. Dort sind nette Leute und wir hoffen so auch genug Aufmerksamkeit zu bekommen, eben weil wir die einzige harte Band dort sind. Bei anderen Labels wären wir vielleicht nur eine harte Band von vielen harten Bands.“ Die Situation ist natürlich bekannt und kommt immer wieder vor: Band X trennt sich von Label Y und geht zu Label Z. Label Y will noch Geld mit Band X machen und schmeißt wahlweise Best-Ofs, Livealben, Compilations oder DVDs auf den Markt. Im Falle Atreyu brachte Victory Records eine Best-Of auf den Markt. Nur leider bot es den Fans absolut nichts was sie  nicht schon haben. Nicht mal der Beitrag zum Soundtrack von „Resident Evil: Apocalypse“ ist enthalten. Nur eine DVD mit allen sechs Musikvideos der Band, von denen man schon vier auf der Special-Edition von „The Curse“ hat und die anderen beiden auch auf Victory TV-DVDs finden kann, die oft bei CDs von Victory Records beiliegen. Als Sündenbock muss das alte Label dienen: „Das war alles die Idee von Victory. Wir hatten kein Mitspracherecht bei der ganzen Sache. Ganz ehrlich: Wir hätten das Ding nicht veröffentlicht, wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten mitzubestimmen.“

 

 

LIVE (,love, burn, die)

 

Atreyu hatten diesen Sommer die Möglichkeit bei der Family Values Tour dabei zu sein. Sprich: Man war Support von der kleinen Festivaltour von Korn, bei der auch Evanescene oder Trivium dabei waren. „Oh, es war toll! Wir spielten in vielen Städten in großen Hallen vor vielen neuen Leuten, die uns vielleicht noch nicht kannten. Es war eine tolle Möglichkeit für uns, unsere Musik neuen Leuten vorzustellen.“ Jetzt allerdings sind Atreyu wieder der Mittelpunkt des Abends. In den USA touren sie mit Haste The Day, It Dies Today und So They Say. Eine Tour, die sich sicherlich viele auch in Europa wünschen würden, wo Haste The Day und It Dies Today doch sehr selten den Sprung über den großen Teich schaffen. Dem ist aber leider nicht so. Zum Zeitpunkt des Gesprächs standen die Supports für die Tour durch Europa im November noch nicht fest. Mittlerweile weiß man, dass es Still Remains und Engel sind. Die Tour des Herzschmerzes also.

 

Man darf gespannt sein, wie es mit der Band weitergeht. Immerhin spielen sie ein Spiel, welches sich nicht voraussagen lässt. Das Spiel nennt sich: Stilwechsel. Fans können abspringen, neue dazu kommen. Am Ende sagen das nur die Verkaufszahlen aus, die so vielen auch egal sind. Atreyu hingegen sind glücklich mit ihrem neuen Album „Lead Sails Paper Anchor“ und das mit Recht! Man muss halt einfach nur offen für neue musikalische Ufer sein und sollte nicht Qualität mit Härte verwechseln.

 

Sebastian Berning – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.atreyurock.com