Interview mit Masha Scream von ARKONA

 

 

Bitte stell uns kurz deine Band vor und nenne uns deine Haupteinflüsse! Was bedeuten Begriffe wie Pagan, Heavy-Metal oder Folk für dich?

 

Arkona besteht aus Sergey “Lazar” (Gitarre), Ruslan “Kniaz” (Bass), Vlad “Artist” (Drums) und mir, Masha “Scream”. Ich bin für den Gesang sowie Komposition von Musik und Texten zuständig. Während der Aufnahmearbeiten werden wir noch durch eine große Anzahl an Gastmusikern unterstützt, aber der Kern der Band sind wir vier. Los ging es 2002 als ich zusammen mit ein paar Freunden aus der “Vyatichi”-Gemeinschaft beschloss, eine Band zu gründen, die unsere Sicht der Welt und unseren Lebensstil repräsentieren sollte. So wurde Arkona geboren. Die Besetzung hielt nur kurz, und die einzige Aufnahme aus dieser Zeit ist das „Rus“-Demo, welches wir Ende 2002 aufgenommen haben. Nach der Trennung arbeitete ich zunächst alleine weiter. Die ersten beiden Alben habe ich zusammen mit den Musikern der Band Rossomahaar aufgenommen, die dann später ein Teil von Arkona wurden. Seit 2005 spielen wir auch live, und dafür benötigten wir ein festes Line-up. Diesen Moment kann man als zweite Geburtstunde der Band betrachten. Mittlerweile haben wir vier Alben veröffentlicht und werden bald damit beginnen, das fünfte aufzunehmen. In meinen Anfangstagen war ich sehr von der slawischen Pagan-Szene beeinflusst, z. B. Bands wie Butterfly Temple, Gods Tower oder die ersten beiden Alben von Nokturnal Mortum. Über den traditionellen Heavy Metal kann ich nicht viel sagen, denn ich bin gleich mit härteren Stilrichtungen eingestiegen. Aber wenn du Heavy Metal als übergeordneten Begriff verstehst, dann spielt er eine sehr große Rolle in meinem Leben. Ich widme dieser Musik sehr viel Zeit und Lebenskraft. Zu Folk habe ich schon seit frühester Kindheit eine enge Verbindung. Schon damals war er für mich ein wichtiges Symbol für die alte Kultur meines Landes und seine Geschichte. Wie du siehst, bedeuten mir diese drei Begriffe alle sehr viel.

 

Steht hinter Arkona im Allgemeinen und dem neuen Album im Besonderen ein inhaltliches Konzept?

 

Meine Lieder behandeln viele Themen und Ereignisse. Aber wenn wir von einer Idee sprechen, die hinter meiner gesamten Arbeit steht, so ist dies die Wiederauferstehung der ursprünglichen Kultur und des Glaubens meines Landes. Ich bin überzeugt davon, dass dies früher oder später passieren wird, und meine Musik ist ein Beitrag zu diesem wichtigen Ziel.

 

Euer letztes Album weist noch mehr Folk-Einflüsse und -Instrumente auf als das letzte. Gibt es einen bestimmten Grund für diese Entwicklung?

 

Ja, auf den letzten beiden Alben haben wir viele folkloristische Instrumente verwendet. Zu verdanken ist dies Vladimir Cherepovsky, einem wundervollen Menschen und Musiker, der an den Aufnahmen beteiligt war. Er hat sein ganzes Leben dem Studium und Spielen antiker Folk-Instrumente gewidmet. Mit seiner Hilfe konnten wir viele neue Stimmungen in unserer Musik erzeugen. Wir verwenden viele verschiedene Instrumente für unsere Musik. Nicht alle von ihnen kann man in der slawischen Folklore hören, denn die meisten authentischen alten Instrumente sind nicht tonal. Daher ist es fast unmöglich, sie mit modernen, rauen Tönen zu kombinieren. Unter anderem verwenden wir Drehleier, Gaita Gallega Sackpfeife, Dudelsack, Sopilka, Drymba, Prosvirelka, Okarina, Dvodentsivka, Djolomia, Zhaleyka, Zaphun und verschiedene Flöten.

 

Ihr habt einen Vertrag mit Napalm Records unterschrieben. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und was erwartet ihr euch davon?

 

Im März sind wir auf dem Ragnarök aufgetreten, wo wir vor ca. 5000 Zuschauern das wahrscheinlich beste Konzert unserer Bandgeschichte gespielt haben. Nach der Show kam Nadir von Napalm Records zu uns und hat uns eine Zusammenarbeit angeboten. Ich denke, das lag nicht zuletzt an unserer guten Performance und den fantastischen Resonanzen aus dem Publikum. Wir sind sehr froh, mit Napalm zusammen zu arbeiten. Für eine Band aus Russland ist es ein echter Erfolg, bei einem großen, weltweit operierenden Label zu unterzeichnen. Durch die Zusammenarbeit erhoffen wir uns noch mehr Möglichkeiten, unsere Kreativität auszuleben. Außerdem bekommen wir die Chance, von vielen Leuten gehört zu werden, die bislang unsere Band noch nicht einmal kannten.

 

Einer der Hauptfaktoren, der das besondere Flair eurer Musik ausmacht, ist die russische Sprache. Aber hast du schon mal darüber nachgedacht, in Englisch zu singen, um in anderen Teilen der Welt mehr Erfolg zu haben?

 

Wir bezeichnen unsere Musik als „Slavonic Pagan Metal“. Da wäre es doch sehr seltsam, wenn wir jetzt auf einmal in Englisch singen würden. Ich sage nicht, dass irgendeine Sprache auf der Welt besser oder schlechter ist als eine andere. Und ich bewundere auch die Menschen, die verschiedene fremde Sprachen sprechen und studieren. Aber eine Band, die versucht, die Kultur seines Landes hervorzuheben, muss auch in der entsprechenden Muttersprache singen. Und letztlich meine ich auch, dass Poesie erst dann ihre Kraft gewinnt, wenn der Dichter in der Sprache schreibt, in der er auch denkt. Sicher ist es nicht unbedingt ein Vorteil, dass ein Großteil der Leute unsere Texte nicht so ohne weiteres versteht. Aber wenn ich nicht das fühlen würde, was ich gerade singe, würde unsere Musik ihrer Atmosphäre beraubt werden.

 

Es gibt einige andere Bands mit dem Namen Arkona. Denkst du, es könnte zu Problemen mit den Namensrechten kommen, jetzt wo ihr international durchstartet?

 

Bislang hatten wir diesbezüglich keine Probleme. Vor drei Jahren haben wir einen unzufriedenen Brief von den polnischen Arkona erhalten. Aber das war alles. Leider habe ich erst mitbekommen, dass es noch andere Bands mit diesem Namen gibt, als unser erstes Album schon veröffentlicht war. Ich bin nicht so mit den Neuigkeiten der Szene vertraut, so dass Vieles einfach an mir vorüber geht. Wenn du dir unser Logo ansiehst, erkennst du, dass es in kyrillischen Buchstaben geschrieben ist, während die anderen Bands, die sich Arkona nennen, Lateinische verwenden. Daher halte ich Namensstreitigkeiten für unwahrscheinlich und unbegründet. Außerdem sind wir die einzigen Arkona, die Pagan Metal spielen.

 

Einige dieser Bands stehen in dem Ruf, faschistisch oder antisemitisch zu sein. Hast du Angst, dass darunter auch euer Image leiden könnte?

 

Wir sind weder Faschisten noch Antisemiten. Daher haben wir auch nichts zu befürchten. Sicher gibt es viele Leute, die die Begriffe, die wir verwenden, mit Faschismus in Verbindung bringen. Aber nirgendwo auf der Welt ist man vor idiotischen Meinungen sicher.

 

In Russland gibt es neben euch noch viele weitere großartige Pagan-Metal Bands wie Alkonost, Pagan Reign oder Nomansland. Denkst du, Russland ist ein besonders fruchtbarer Boden für diese Art von Musik? Und wenn ja, warum?

 

Ja, das hat mit der Kultur und der Mentalität unseres Landes zu tun. Dieser Stil ist sehr authentisch und ursprünglich. Und es erweckt immer Interesse, wenn Musiker aus irgendeinem Teil der Welt die ursprünglichen Themen ihres Landes verarbeiten, auch wenn dies im Rahmen von extremem Metal passiert. Ich bin wirklich glücklich, das Anwachsen einer nicht nur russischen sondern slawischen Szene zu beobachten. Ich hoffe, dass sich das in Zukunft noch fortsetzt.

 

Gibt es bei euch eine spezielle Szene oder macht jede Band ihr eigenes Ding?

 

Es gibt einen Zusammenschluss von Bands, die ihr Schaffen nicht mit Politik verbinden und die unsere nationalen kulturellen Motive repräsentieren. Neben den in der vorangegangenen Frage bereits genannten wären das z. B. Svarga, Nevid, Tverd, Kalevala oder Butterfly Temple. Man kann sagen, dies sind die Hauptvertreter dessen, was man russische Pagan-Metal-Szene nennt.

 

Ihr seid als wirklich gute Live-Band bekannt. Das einzige, was häufiger kritisiert wird ist, dass Vieles vom Band eingespielt wird. Siehst du die Chance, mal eine Tour mit echten Folk-Musikern und –Instrumenten durchzuführen?

 

Von der Möglichkeit, mit all den folkloristischen Instrumenten live aufzutreten, träumen wir schon lange. Leider hatten wir dazu bislang keine Gelegenheit. Wir werden aber alles daran setzen, dies eines Tages möglich zu machen.

 

 

Es gibt Kritiker, die sich darüber beschweren, dass du häufig ein totes Tier um Deinen Hals trägst. In wie weit ist dies vereinbar mit heidnischen Werten wie dem Naturschutz?

 

Das Wolfsfell, das ich trage, ist ein Familienerbstück. Es widerspricht weder heidnischen Traditionen noch meinem Glauben. Ich selber könnte nie ein lebendes Wesen töten. Solche Kritiker beschweren sich wahrscheinlich auch, dass einige Wölfe das Fleisch vom Wild fressen und keine Vegetarier werden wollen. Es passt halt nicht in ihre Vorstellungen vom Heidentum. Aber Menschen mit einem heidnischen Glauben leben in Harmonie mit der Natur. Unsere Vorfahren erhielten von ihr alles, was sie brauchten: Holz zum Bauen, Fleisch zum Essen und Felle, um sich in der kalten Jahreszeit warm zu kleiden. Die Menschen konnten ohne Zusammenspiel mit der Natur gar nicht überleben. Wenn ein Fischer fischen ging, so verneigte er sich vor dem Fluss, ein Jäger vor dem mächtigen Wald. Und unsere Vorfahren nahmen niemals mehr als sie brauchten, sie töteten nie zum Vergnügen. Die Natur würdigte so ein Verhalten und den Respekt der Menschen, die ihre Ressourcen nahmen, in dem sie sich fruchtbar zeigte. Wolf, Wild und Mensch lebten in Harmonie miteinander. Doch heute ist die Verbindung zur Natur verloren, die Luft und das Wasser sind vergiftet, die Wälder werden um des Profits Willen abgeholzt und Millionen von Lebewesen sterben, weil ihr Lebensraum zerstört wird. Das ist den Leuten scheinbar alles egal. Sie interessieren sich lieber für ein Tierfell, das um meinen Hals hängt...

 

Was ist eigentlich mit Rossomahaar? Gibt es die Band noch? Und sind die Jungs ein wenig eifersüchtige auf den Erfolg von Arkona?

 

Rossomahaar geben regelmäßig Konzerte und ihr Schaffensprozess wird nicht durch Arkona beeinträchtigt. Dass es lange kein Album von ihnen gegeben hat, wird wohl an den vielen Seitenprojekten von Lazar liegen. Diese beanspruchen sehr viel von seiner Zeit und Aufmerksamkeit. 23 Alben in 12 Jahren sind auch keine Kleinigkeit, oder? Ich weiß, dass derzeit bei Rossomahaar etwas in Planung ist. Aber die Jungs beeilen sich nicht gerade... Warum sie eifersüchtig sein sollten, verstehe ich nicht. Jedes Mitglied von Rossomahaar spielt doch auch bei Arkona.

 

Wie geht es nach der Europa-Tournee mit Arkona weiter?

Momentan sind wir gerade von unserer Europa-Tour zurück, die am 17. Juli begonnen hat und am 16. August mit dem Auftritt auf dem Brutal Assault Festival in Tschechien endete. Wir hatten sehr viel Spaß aber am Ende auch ein wenig Heimweh. Nun, nachdem wir unsere Familien und Freunde wiedergesehen haben, sind wir bereit für neue Schlachten! Unsere erste Aufgabe ist es, die Veröffentlichung unser neuen DVD „Noch Velesova“ („The Night of Veles“) vorzubereiten. Sie wurde während der Präsentation unseres letzten Albums „Ot Serdtsa k Nebu“ in Russland aufgenommen. Es handelt sich hierbei um eine dreistündige Show, bei der wir von Vladimir Cherepovskiy, dem Meister der Folk-Instrumente, sowie einem traditionellen Folklore-Chor unterstützt wurden. Außerdem wird unser neues Video „Slavsya Rus“ als Bonus enthalten sein. Mittlerweile haben wir auch die letzten Proben für das Material unseres nächsten Albums beendet. Es sind bereits zehn Songs fertig und die Studioarbeit kann beginnen.

 

Alexander Dontscheff – www.sounds2move.de

 

Link: www.arkona-russia.com