Interview mit Daniel Erlandsson von ARCH ENEMY

 


Im Gespräch mit sounds2move - Daniel Erlandsson (links)

 

Die Melodic Deather Arch Enemy sind gefragt – nicht zuletzt seit ihrem Erfolgsalbum „Doomsday Machine“. Für den Nachfolger „Rise of the Tyrant“ sind die Schweden und ihre deutsche Sängerin bereits seit Wochen unterwegs durch die ganze Welt, um Interviews für Magazine, Fernsehen und Radio zu geben. Dass dabei nicht immer alles glatt laufen kann, zeigt sich nicht zuletzt am Tag des sounds2move-Interviews. Gitarrist und Bandboss Michael Amott hatte sich für den Vormittag angekündigt, den Termin dann aber doch telefonisch auf den späteren Nachmittag verlegen lassen. Mit neuerlicher Verspätung ist dann stattdessen Drummer Daniel Erlandsson an der Strippe, der bei diesem Werbemarathon ebenfalls mit von der Partie ist und deutlich hörbar schon unzählige Befragungen hinter sich hat. Denn wirklich motiviert oder gar enthusiastisch ob der eigenen neuen Scheibe wirkt der Schwede zum Beginn des Interviews nicht. Doch zum Glück taut Erlandsson mit fortlaufender Zeit etwas auf und lässt sich gar zu Antworten von mehr als nur 2 -3 kurzen Sätzen hinreißen.

 

Wer zum ersten Mal in den neuen Dreher aus dem Hause Arch Enemy reinhört, der wird überrascht sein, dass auf ein Intro im eigentlichen Sinne diesmal verzichtet wurde. „Jedes Album, das wir machen ist irgendwo auch eine Reaktion auf die vorherige Scheibe. Zum Beginn von ‚Blood on your Hands’ gibt es eine Art sehr kurzes Intro, aber nicht im klassischen Sinne. Wir wollten das Album diesmal einfach druckvoller und intensiver starten lassen. Außerdem sollte der Ablauf sich anders darstellen und wir wollten auch im Studio einfach spontaner agieren“. Wobei man nicht gänzlich auf ein Instrumentalstück verzichtet hat, denn eben ein solches findet sich sehr wohl auf der Platte, nämlich in Form von „Intermezzo Liberté“. Diesmal hat man sich für ein klassisches Zwischenspiel entschieden, um „Rise of the Tyrant“ auf halber Strecke eine Verschnaufpause einzugestehen.

 

Rote Fäden und alte Bekannte

 

Thematisch gibt der Albumtitel den groben lyrischen Weg von „Rise of the Tyrant“ schon recht deutlich vor. Und dennoch handelt es sich um kein klassisches Konzeptalbum, wie Erlandsson mit knappen Worten erklärt: „Ich bin natürlich nicht für die Texte zuständig, aber es gibt schon ein Thema, das einzelne Stücke der Platte miteinander verbindet. Jedoch haben wir kein generelles Konzept verfolgt“. Nach etwas forscherem Nachbohren kommen dann doch noch weitere Details ans Tageslicht. „Es gibt bei uns eigentlich immer irgendwie einen roten Faden, der durch ein Album führt. Im Fall der neuen Platte ist dies der Missbrauch von Macht, wie wir ihn in der heutigen Zeit oft auf der Welt sehen“. Für die Produktion des Albums hat man sich diesmal bewusst nicht für Andy Sneap, sondern für Frederik Nordstöm entschieden, der zuvor bereits alle Alben der Band bis einschließlich „Wages of Sin“ (an dem sich das neue Album übrigens auch musikalisch orientiert) in Form gebracht hatte. Eigentlich eine Überraschung, denn der Brite Sneap hatte bei „Anthems of Rebellion“ und „Doomsday Machine“ einen erstklassigen Job gemacht. „Damit hast  du natürlich recht, vor allem auf ‚Doomsday Machine’ hat er uns eine perfekte Produktion beschert. Und genau davon wollten wir uns ein wenig entfernen, denn uns schwebte nicht erneut diese absolute Perfektion vor. Also haben wir mal wieder auf Frederik vertraut, dessen Arbeitsweise wir natürlich kennen und der etwas lockerer an diese Dinge herangeht als Andy es tut. Das ist dann genau genommen kein Fortschritt für uns, sondern ein Rückschritt“, flachst der Schlagzeuger, dessen Laune sich mittlerweile deutlich gebessert hat. 

 

Die Rückkehr des verlorenen Sohnes

 

Während des Arbeitsprozesses an „Rise of the Tyrant“ konnten Arch Enemy sich über die Rückkehr von Michael Amotts Bruder Christopher freuen, der sich 2005 aus der Band zurückgezogen hatte, um sich seinem Studium widmen zu können. Wirklich großen Einfluss hatte der 2. Gitarrist aber nicht mehr auf das neue Material, da seine neuen alten Bandkollegen zum Zeitpunkt des Widereinstiegs bereits in einem sehr fortgeschrittenen Stadium ihrer Arbeit waren. Und dennoch wird der aufmerksame Hörer erkennen, wo der Rückkehrer seine Finger im Spiel hatte, wie Daniel anmerkt: „Er hat einfach seinen eigenen Stil. Wenn wir seine Ideen irgendwo untergebracht haben, dann kann man diese glaube ich relativ schnell aus dem Album herauslesen“. Trotz dieser Einsprengsel ist man sich im Arch Enemy Lager sicher, dass „Rise of the Tyrants“ nicht wirklich anders geklungen hätte, wäre der 2. Amott nicht in die Band zurückgekehrt. Auf die Frage, ob das neue Album möglicherweise weniger Soli zu bieten hätte, wenn die beiden Brüder sich nicht regelmäßig mit selbigen duelliert hätten, lässt der Drummer erstmals deutlich seinen Sinn für Humor durchblitzen: „Das ist eine interessante Frage. Aber ich glaube es wären vermutlich genauso viele gewesen – nur hätte Michael sie dann einfach alle selbst gespielt“, lacht der Schwede.

 

Leihgeschäfte

 

Den Titeltrack von „Rise of the Tyrant“ eröffnet ein eingespieltes Sample, das der Fünfer dem Film „Caligula“ entliehen hat. Besagter Streifen handelt vom Römischen Kaiser Gaius Caesar Augustus Germanicus – oder kurz Caligula -  welcher im Verlauf seiner Amtszeit und der damit verbundenen Macht mehr und mehr dem Wahnsinn verfiel. Damit wäre dann auch wieder die Brücke zum bereits erwähnten roten Faden des neuen schwedisch-deutschen Longplayers geschlagen. Nebenbei haben sich Arch Enemy übrigens den Queensryche Song „Walk in the Shadow“ ausgeborgt. Selbigen hat man sich nämlich für die Single „Revolution Begins“ vorgeknöpft und neu interpretiert. Dabei handelt es sich nicht um die erste Huldigung, hatte man sich doch zuvor schon Megadeth und Manowar sowie Michael Amotts ehemalige Kombo Carcass auf der „Dead Eyes see no Future“ EP angenommen. „Mit diesen Coverversionen legen wir ein Stück weit unsere Wurzeln frei. ‚Walk in the Shadow’ stammt vom Album ‚Rage for Order’, das wir ganz klar zu unseren All-Time-Favorites zählen. Natürlich klingt unsere Version nicht wie das gewohnte Original, aber diese Interpretation macht das Stück auch... hm... sagen wir: anders“, lacht Daniel. Trotzdem fällt beim Namen Queensryche immer als erstes der Albumtitel „Operation Mindcrime“ und im Bezug auf den aktuellen Arch Enemy Kontext hätte man offensichtlich auch auf „Revolution Calling“ zurückgreifen können. „Darüber haben wir in der Tat nachgedacht, aber die Songs von ‚Mindcrime’ sind ohnehin schon perfekt. Und wie gesagt ist ‚Rage for Order’ unsere Nr. 1 von Queensryche. Aber wer weiß, vielleicht passiert da irgendwann noch einmal etwas in dieser Richtung“, hält sich der Schlagzeuger Optionen für die Zukunft offen. Im Live-Set der Band wird diesmal vermutlich übrigens keine Coverversion auftauchen, wie Erlandsson ebenfalls erwähnt.

 

Arbeitstiere

 

Auf der faulen Haut haben Arch Enemy schon seit einigen Jahren nicht mehr gelegen. Man nehme nur die Zeit seit der Veröffentlichung von „Anthems of Rebellion“. Nach dem Album war man für eineinhalb Jahre quasi konstant in der Welt unterwegs, hat schnell die „Dead Eyes see no Future“ EP eingeschoben und wenig später „Doomsday Machine“ geschrieben und aufgenommen, bevor es erneut in den Tourbus ging. Dieser straffe Album-Tour-Album Rhythmus kann mitunter hart sein und nicht jeder Musiker hält dies über Jahre hinweg durch. Wie lange werden die Schweden und ihre deutsche Sängerin das wohl noch so durchhalten können? „Das ist hart zu sagen, aber sicher bis nichts mehr geht“, feixt Erlandsson, um direkt danach wieder ernster zu werden. „Neben diesem Stress merke ich aber auch, wie wir als Band wachsen. Auch kann man unsere Shows von vor 3 Jahren mit den aktuellen Auftritten kaum mehr vergleichen, denn ich denke wir haben uns noch einmal enorm gebessert. Außerdem macht es Spaß für Leute zu spielen und deren Reaktionen zu sehen. Andernfalls könnten wir auch wie in einer Seifenblase leben, zu Hause Platten aufnehmen und diese einfach so veröffentlichen“. Angst vor einer Art Tourroutine, bei der das gewisse Feuer auf der Strecke bleibt hat der Schlagzeuger nicht: „Ich glaube das würden wir schnell merken. Meiner Meinung nach macht sich so etwas deutlich bemerkbar. Wenn ein Kreativitäts- oder Motivationsmangel auftreten würde, dann hätte man ganz offensichtlich ein Problem“.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.archenemy.net