Interview mit Mark Tremonti von ALTER BRIDGE

 


Gute Laune trotz Interview-Marathon: Mark Tremonti (2.v.l.) und Myles Kennedy (l.)

 

Eure neue Platte firmierte eine Zeit lang unter dem Arbeitstitel "AB4", womit ihr den Gedanken des Vorgängers "AB III" aufgegriffen habt. Letztlich habt ihr euch doch gegen eine Nummerierung im Stile von Led Zeppelin entschieden.

 

Ich glaube, das wäre schlicht zu einfach und zu vorhersehbar gewesen, außerdem wollten wir der Scheibe wieder einen richtigen Namen geben. Abgesehen davon haben auch einige Fans online protestiert: "Nennt das Teil bloß nicht 'AB4'", haha.

 

Für Freunde unterschwelliger Nachrichten und von Verschwörungstheorien sind die Alben gewissermaßen sogar trotzdem durchnummeriert. Man muss nur zwischen den Zeilen lesen, denn eure Alben heißen "ONE Day remains", "AB THREE", "FOURtress"...

 

... und das zweite Album heißt "Blackbird" und beinhaltet zwei mal den zweiten Buchstaben im Alphabet. Auf einmal ergibt alles Sinn, haha.

 

Das tut es bei euch wie immer auch musikalisch, und ihr habt eurem bewährten Sound die eine oder andere frische Idee hinzugefügt. Ich denke da zum Beispiel an die Flamenco-mäßige Note zu Beginn von "Cry of Achilles". Außerdem bekommt man das Gefühl, es mit eurem bisher härtesten Album zu tun zu haben, dafür muss man sich nur mal die vielen metallischen Riffs, die pumpenden Rhythmen und die allgemeine Heavyness vieler Songs anhören. Ihr habt diesmal zweifelsfrei ordentlich rein gehauen.

 

Auf jeden Fall, wir haben bisher auf jedem Album etwas Neues probiert. Wir versuchen unsere Grenzen jedes mal aufs neue auszuloten. Wir haben es diesmal wieder mit ein paar neuen Ansätzen versucht, dadurch kam die Härte ganz automatisch. Jedes Alter Bridge-Album soll für sich selbst stehen, und wenn man sich beispielsweise "One Day remains" und "Blackbird" anhört, dann sind das zwei sehr unterschiedliche Scheiben, was auch für "AB III" gilt. "Fortress" führt diese Tradition weiter und sollte noch einmal größer und besser klingen.

 

Darüber hinaus gibt es aber auch wieder Stücke wie "All ends well", die ruhiger und gefühlvoller sind, und wie sie seit jeher zu eurer Identität gehört haben. Hinzu kommt diesmal das Titelstück "Fortress", ein regelrechtes Epos mit vielen verschiedenen Motiven und Stimmungen. Die Nummer könnte genauso wie "Bleed it dry" für manchen Zuhörer durchaus zur Herausforderung werden.

 

"Fortress" war das Stück, bei dem wir während der Aufnahmen am meisten experimentiert haben. Wir haben alle Ideen reingepackt, die wir hatten und dem Song diese Länge und Epik einfach mal zugestanden und ihn atmen lassen. Auf das Ergebnis sind wir sehr stolz, besonders die Bridge, obwohl dieser Teil sehr schwer zu mischen war, denn wir mussten dort alles so unterbringen, dass es auch so klingt als würde alles genau dort hin gehören.

 

Trotzdem habt ihr es geschafft, dass alles sehr spontan klingt und beinahe ein Hauch von Jam-Session mitschwingt.
 

 Es war auch vieles sehr spontan, ein Großteil der finalen Arrangements beispielsweise entstand an nur einem einzigen Tag. Wir hatten sehr früh im Schreibprozess zwar schon ein grobes Gerüst, aber der Aufbau, der jetzt auf dem fertigen Album zu hören ist, wurde an nur einem - wenn auch sehr langen - Tag gestemmt. Gewissermaßen ist es tatsächlich ein Jam-Song, und wir freuen uns unglaublich darauf ihn live zu spielen, selbst wenn noch viel Arbeit auf uns wartet, bis wir so weit sind, das entsprechend auf der Bühne umzusetzen.

 

Es ist ein totales Klischee, aber man hat bei euch wirklich das Gefühl, dass vier Freunde auf der Bühne stehen, die einfach zusammen Musik machen wollen. Scheinbar gibt es keine Egos bei euch, jeder macht zwischendurch zwar sein Ding, wie etwa Myles, der mit Slash zusammenarbeitet oder auch du mit deinem Soloalbum. Wenn es dann aber wieder um Alter Bridge geht, sind alle voll da, um an einem Strang zu ziehen. Wie sagt man: Das Ganze ist dann größer als seine Einzelteile.

 

Danke für die netten Worte, und du hast recht, denn wir stehen uns untereinander sehr nah und haben großen Respekt vor dem jeweils anderen. Jeder weiß zu schätzen, was die anderen zum Gelingen des großen Ganzen beisteuern.

 

Diese vertraute Atmosphäre tut doch sicher auch dem kreativen Prozess gut, denn jeder kann seine Ideen ungefiltert den anderen vortragen, ohne Angst vor totaler Ablehnung zu haben.

 

Ja, wobei du als Songwriter generell eine dicke Haut brauchst, denn dir muss klar sein, dass nicht alle deine Ideen bei jedem auf ungeteilte Gegenliebe stoßen. Daher ist es auch gut, dass wir alle noch unsere Projekte haben, denn wenn ich merke, dass etwas einfach nicht zu Alter Bridge passt, dann kann ich es stattdessen einfach für meine Soloband verwenden. Aber diesmal lief rückblickend alles sehr einfach ab, egal ob ich etwas vortrug oder Myles mir einen seiner Entwürfe präsentierte. Wir waren schnell Feuer und Flamme für die Ideen des jeweils anderen, sodass es keinen Anlass für große Diskussionen gab.

 

Es wird also definitiv ein weiteres Tremonti Soloalbum geben?

 

Definitiv! Ich habe noch so viele Ideen auf der hohen Kante, die muss ich einfach verarbeiten, denn wenn ich es nicht auf diesem Weg tue, landen sie am Ende noch auf dem Müll und das muss nicht sein, hehe.
 

Wie war es eigentlich für dich, vom reinen Gitarristen, der nur hin und wieder live ein paar Backing Vocals singt, für dein Solodebüt auch noch in die Rolle des Frontmannes zu schlüpfen? Plötzlich warst du nicht mehr nur der Typ am Rand, der über sein Griffbrett fegt, sondern der Kerl im Rampenlicht, der im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Eine komplett neue Situation für dich.
 


Die trotzdem großartig war. Ich singe schon seit einer Ewigkeit, denn wenn ich Songs schreibe, versuche ich immer auch gleich etwas dazu zu singen. Ehrlich gesagt schreibe ich nichts lieber als Gesangsmelodien, auch wenn das vielleicht einige Leute überraschen wird. Somit habe ich schon ein paar Jahre Erfahrung mit dem Singen, nur eben nicht auf der Bühne vor Publikum, denn da habe ich immer nur die zweite Stimme beigesteuert.

 

Könnte man also sagen, dass die Tatsache, dass du auf "All I was" und der darauf folgenden Tour den Gesang komplett selbst übernommen hast für den finalen Kick und das letzte Selbstvertrauen gesorgt hat, um auf dem neuen Album den Gesang bei "Waters rising" zu übernehmen?

 

Eigentlich habe ich diese Entscheidung, "Waters rising" zu übernehmen in erster Linie gar nicht selbst getroffen. Es war die Idee von Myles und unserem Produzenten Michael "Elvis" Baskette. Zu dem Zeitpunkt hatte Myles noch nicht an der Nummer gearbeitet, und die beiden hielten es für eine gute Idee, wenn ich es einfach mal probiere, da ihnen ohnehin die Idee, die ich für den Gesang hatte, sehr gut gefallen hat. Wir haben das vorher noch nie so gemacht, aber das Risiko hat sich gelohnt, und außerdem konnten wir die Fans auf diese Weise ein bisschen überraschen und ihnen schon mal vorab etwas zum Diskutieren geben, hehe.

 

 

Nebenbei erschließt ihr euch auch für eure Konzerte und die Zukunft im Allgemeinen auf diesem Wege ein paar neue Optionen.

 

Ja, wobei jeder von uns stets viel mit einbringen kann. So ist Myles nicht nur ein toller Sänger, sondern auch ein hervorragender Gitarrist. Somit haben wir zwei potentielle Leadgitarristen in der Band, was sicher kein Nachteil ist. Darüber, dass wir jetzt noch einmal mehr Möglichkeiten haben, werden wir uns bestimmt nicht beschweren.

 

Wobei auch Myles wieder einmal stark an seinem Gesang gearbeitet hat und ihr hier und da neue Wege beschreitet. Bei "Cry of Achillles" kommen zum Beispiel Verzerrer zum Einsatz, während "Lover" in die komplett andere Richtung geht und bisweilen fast schon geflüstert wird.

 

Er wird mit steigender Erfahrung tatsächlich immer noch besser, und da er wie alle bei uns mit sehr viel Leidenschaft bei der Sache ist, wird er ein immer besserer Musiker, und das wirkt sich positiv auf den Gesang aus.

 

Stammt der Text zu "Waters rising" eigentlich auch von dir?

 

Ja, den hab ich auch übernommen, weil es immer gut ist, wenn du das was du singst auch selbst geschrieben hast, da du so einfach eine stärkere Verbindung zum jeweiligen Song aufbaust. Der Text zeichnet ein fiktives, apokalyptisches Bild von der Welt in der wir leben. Wenn man sieht was auf der Erde alles passiert, angefangen bei Nordkorea, das anderen Ländern mit einem Atomkrieg droht, oder etwa dem Umgang mancher Länder mit der Natur, dann soll dieser Song verbildlichen wie die Menschheit den Planeten sehenden Auges vor die Wand fährt.

 

Dieser düstere Text ist ein gutes Stichwort, denn obwohl "All ends well" eine positive Nachricht vermittelt, scheint es euch textlich nicht möglich, diese Stimmung sehr lange zu erhalten, da eure Texte im Endeffekt zumeist ziemlich düster ausfallen. Ist ein gewisses Maß an Melancholie und Düsternis folglich der beste Katalysator für ein möglichst gutes Resultat bei Alter Bridge?
 

Da wäre ich vielleicht etwas vorsichtig. Wenn deine Songs heavy klingen und du ein Fundament aus Metal-Riffs lieferst, gestaltet es sich schwierig über Rosen und Hundewelpen zu singen, haha. Texte über Verrat und Enttäuschung sind wohl auch schlichtweg einfacher zu schreiben für uns, denn wir sind nicht gerade eine Lovesong-Band, haha. Wir haben lieber eine gute, wenn auch düstere Message in unseren Songs als überhaupt keine.


Wenn es um die anstehenden Konzerte geht: Was sind deiner Meinung nach die Highlights, sowohl für euch als auch für die Fans?

 

Mal sehen, auf jeden Fall die Single "Addicted to Pain", dann "Fortress", "The Uninvided" und "Bleed it dry". Das sind zumindest momentan meine Lieblingssongs auf dem Album.

 

"Waters rising" nicht?

 

Doch, ich hoffe, dass wir das auch spielen werden. Das Problem in dem Fall ist, dass ich erst die aufwändigen Gitarren aufgenommen habe und sich erst später ergab, dass ich auch den Gesang übernehmen werde. Es wird eine harte Nuss für mich, den Song gleichzeitig zu spielen und zu singen. Vermutlich werde ich meinen Teil umschreiben müssen oder Myles muss ihn lernen. Wie es aussieht, müssen wir den Song noch einmal neu erfinden, um ihn live bringen zu können, hehe.

Dann wird es natürlich so oder so eng in der Setlist, da ihr nicht vier Alben komplett spielen könnt. Inwiefern werdet ihr versuchen euer Set von Abend zu Abend eventuell auch ein bisschen umzubauen?

 

Jeden Abend werden wir vermutlich nicht unseren Set ändern, aber wir haben so viele Songs, dass wir schon hin und wieder ein paar davon austauschen werden. "One Day remains" werden wir an manchen Abenden nicht spielen, an anderen wird vielleicht "Broken Wings" zu Gunsten eines anderen Stückes gestrichen. Das sind zwei Beispiele für Songs, die wir nicht jeden Abend im Set haben müssen, ohne natürlich zu behaupten, sie würden überhaupt nicht gespielt. Aber es gibt andere Kandidaten, die wir definitiv bei jeder Show bringen werden, Standards wie "Blackbird", "Isolation" und "Rise Today". Die Leute wären ziemlich wütend, wenn wir es wagen würden die zu streichen und würden vielleicht nie wieder kommen, haha. 

 

Bisher habt ihr zwei Live-DVDs veröffentlicht, die beide in Europa aufgenommen wurden, nämlich in London und Amsterdam. Habt ihr hier einfach ein besseres Standing als zu Hause in den USA, oder ist das Publikum sozusagen einfach besser zu euch?

 

So könnte man es sagen. Die Fans in Europa haben uns von vornherein mit offenen Armen empfangen, und bis heute stehen wir hier besser da als in den USA.

 

Hast du eine Theorie warum das so ist? Immerhin seid ihr in den Staaten mit Creed nach wie vor eine große Nummer und habt dort unzählige Hits und Platinalben gehabt.

 

Ich glaube, genau das ist das "Problem". Da wir schon eine erfolgreiche Band haben, arbeitet diese dort gewissermaßen gegen uns, weil die Leute ständig Vergleiche anstellen. In Europa hingegen waren wir mit Creed nicht sehr viel unterwegs, was sich für Alter Bridge als sehr vorteilhaft herausgestellt hat, weil wir hier dadurch einfach diese neue Band sein konnten.

 

Und es läuft nach wie vor sehr gut für euch. Das beste Beispiel ist die Tour zu "Fortress", die ihr schon vor Monaten angekündigt habt. Zu diesem Zeitpunkt waren noch fast keine Infos zum Album draußen, geschweige denn gab es eine Single oder auch nur ein paar Höreindrücke für die Fans. Trotzdem waren die ersten Konzerte binnen weniger Wochen komplett ausverkauft, es scheint seitens der Fans in Europa ein regelrecht blindes Vertrauen in Alter Bridge zu geben, hehe.

 

Wir haben zweifellos viele Die-Hard-Fans hier, die uns absolut vertrauen. Ohne neue Platte sind wir natürlich auch eine Zeit lang nicht auf Tour gewesen, und die Leute sind scheinbar wieder bereit für ein bisschen Alter Bridge.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de

 

 

Link: www.alterbridge.com