Interview mit Scott Phillips von ALTER BRIDGE

 

 

Es wurde schon viel darüber gesprochen, dass euer neues Album ziemlich düster ausgefallen ist, was Songtitel wie „All Hope is Gone“ noch unterstreichen. Trotzdem gibt es in allen Bereichen auch immer wieder optimistische, helle Momente. Waren Titel wie „Wonderful Life“ wichtig, um nicht zu sehr in der düsteren Thematik zu versinken?

 

Ich bin mir nicht sicher, ob wir da bewusst oder unterbewusst gehandelt haben. Musikalisch ist einiges schon hörbar dunkler ausgefallen, textlich wird das Ganze aber besonders offensichtlich. Das liegt vor allem am emotionalen Zustand von Myles (Kennedy, Sänger der Band – MR) zu dieser Zeit, er hatte einiges durch zu machen und bisweilen seine Probleme, gewisse Dinge durchzustehen. „Wonderful Life“ ist in der Tat ein positiveres Stück, gleichzeitig aber auch voller Kummer und Trauer. Es geht darum mit jemandem sein Leben verbracht zu haben und ihn dann auch an seinem Sterbebett zu begleiten. Der gemeinsame Blick zurück auf das wundervolle Leben und alles was man zusammen hatte ist die Grundaussage. Das Album hat unbestritten seine Extremen.

 

Wie wird deiner Meinung nach die Grundaussage, die Essenz des Albums besser transportiert: Durch die Musik an sich oder eher durch die Texte?

 

Als Hörer sind für mich beide Aspekte wichtig. Früher war ich der Meinung, dass vor allem die Musik zählt, doch als ich später anfing auch selbst Songs zu komponieren wurde mir klar, wie wichtig textliche Inhalte sind. Ich habe das große Glück, mit einem fantastischen Sänger und Texter in einer Band sein zu dürfen, sodass wir uns über die Qualität keine Sorgen machen müssen. Ein tolles Riff oder ein toller Song wird nie den richtigen Kick bekommen, wenn die dazugehörigen Texte qualitativ total abfallen.

 

Die Düsternis der Scheibe ist meiner Meinung nach ein Stück weit schon überraschend. Du zum Beispiel spielst mit Alter Bridge und Creed in zwei sehr erfolgreichen Bands, die gerade laufende Tour war bereits weitestgehend ausverkauft, bevor „AB III“ überhaupt einen Veröffentlichungstermin hatte. Und Myles, der diese dunklen Lyrics verfasst hat, kann sich rein musikalisch auch kaum beschweren, immerhin ist er als Toursänger mit Slash unterwegs und war sogar für eine mögliche Led Zeppelin Reuniontour als Ersatzmann für Robert Plant im Gespräch. Da wundert man sich schon woher da noch diese pessimistischen Texte kommen.

 

Natürlich weiß ich was du meinst und das liegt wohl vor allem daran wie es ihm mental zur damaligen Zeit ging. Das ist eher eine Frage für ihn, er könnte dir da sicher mehr Details verraten als ich es kann. Mir gefällt die Tiefgründigkeit seiner Worte sehr und ich mag es wie er zwischendurch trotzdem immer noch eine gewisse Hoffnung vermittelt.

 

Würdest du euch als eine philosophische Band bezeichnen?

 

Ich denke schon, dass man das so sagen könnte – warum nicht? Ob wir uns aber bewusst dazu entschieden haben, steht auf einem anderen Blatt.

 

Außerdem habt ihr ein Talent dafür, einerseits Heavy zu klingen, andererseits aber auch zerbrechliche Momente zu erschaffen und dabei zu jedem Zeitpunkt eine gute Melodie und erstklassige Hooks parat zu haben.

 

Das denke ich auch, da bin ich absolut deiner Meinung. Zwischen Myles und Mark (Tremonti, Gitarrist – MR) herrscht eine tolle Chemie und packende Melodien sind in gewisser Weise ihr Steckenpferd, ihre wichtigste Zutat. Unsere Songs bauen eigentlich immer auf einer Melodie auf, dann kommen die Texte dazu. Wenn Mark beispielsweise komponiert, dann entsteht die Musik quasi parallel mit der Ausgangsmelodie. Er schreibt Musik ausschließlich mit der Gitarre, denkt dabei aber nicht nur in Riffs, sondern auch in Melodieführungen. Es ist toll, zwei so begabte Songwriter in der Band zu haben.

 

Ist es bei diesem eingespielten Team für dich dann nicht schwierig, dich ebenfalls noch in den Kompositionsprozess einzubringen und dich zu behaupten?

 

Das Gute ist, dass die Arbeiten immer sehr offen von statten gehen und jeder etwas beisteuern kann. Von den Texten lasse ich jedoch komplett die Finger, denn meiner Meinung nach ist es von großer Bedeutung, dass der Sänger und Frontmann die Kontrolle auf diesem Gebiet hat, immerhin muss er die Inhalte später authentisch rüberbringen können und sich in den Worten wieder finden. Ich glaube ein Sänger ist überzeugender und eindringlicher, wenn er seine eigenen Worte singt, anstatt nur wiederzugeben, was ihm ein anderer diktiert hat. Auf dem ersten Alter Bridge-Album haben sich Myles und Mark diese Arbeit sogar noch aufgeteilt, jedoch konnte Myles sich immer mit dem identifizieren, was sein Gegenüber schrieb. Ein sehr gutes Beispiel ist „In Loving Memory“, das Mark für seine Mutter geschrieben hat, die um die Jahreswende 2001/2002 von uns gegangen ist. Myles wiederum hat schon in jungen Jahren seinen Vater verloren, sodass auch er eine Verbindung zu diesem Text herstellen konnte und ihn entsprechend überzeugend präsentieren kann.

 

Kurze Zwischenfrage zum Albumtitel: Besteht irgendeine Verbindung oder Anlehnung an die „MK II“, „MK III“ etc. Phasen von Deep Purple? Auch wenn es in eurem Fall keine Line-Up Wechsel gab, existiert doch eine gewisse Ähnlichkeit.

 

Stimmt, aber einen direkten Bezug gibt es glaube ich nicht. „AB III“ war zu Beginn ja nur ein Arbeitstitel, ebenso wie auch die Songs derartige vorübergehende Titel hatten, die wir ihnen bloß zur Orientierung verpasst hatten und die noch ein paar mal geändert wurden, als die richtigen Texte dazu kamen. Irgendwann hatten wir uns daran gewöhnt es „AB III“ zu nennen, im Internet tauchte dieser Name ebenfalls auf und den Fans schien er auch schnell zu gefallen. Es gibt ja einige Bands, die einen Teil ihrer Alben einfach durchnummeriert haben, und wir fangen damit jetzt einfach mal bei Drei an und schauen, ob dieses Konzept für uns funktioniert, hehe.

 

Ein positiver Nebeneffekt davon ist, dass ihr keinem Song die Bürde des Titelstücks aufbürgen müsst. So kann jedes Lied für sich selbst stehen.

 

Vollkommen richtig. Bei „Blackbird“ hatten wir damals mehrere Songs als potentielle Titeltracks und haben uns anfangs von eben diesem Stück bewusst fern gehalten, denn es ist ziemlich episch und fast acht Minuten lang. Häufig werden Alben nach einer der Singles benannt und dafür kommt „Blackbird“ schon aufgrund seiner Länge überhaupt nicht in Frage. Wir saßen lang zusammen und haben uns dann doch dazu entschieden die Scheibe so zu nennen, weil es zum damaligen Zeitpunkt der vielleicht beste Song war, den wir je zusammen geschrieben haben. Diesmal gab es einen derartig heraus stechenden Song allerdings nicht, sodass wir einfach beim jetzigen Titel geblieben sind.

 

In Europa ist das neue Album ohne Bonustracks erschienen, in den USA und Japan hingegen gibt es zwei bzw. einen weiterer Track oben drauf. Wie stehen die Chancen, dass dieses Material auch hinzulande offiziell erscheint, etwa in Form einer Limited Edition CD?

 

Das kann unter Umständen passieren und ist eine von mehreren Möglichkeiten. Jeder bekommt von uns aber auch so schon 14 Nummern, was eine Menge ist und mehr als bei den meisten anderen Künstlern. Aus bestimmten Gründen sollten in den USA aber unbedingt zwei weitere Bonustracks dabei sein. Wir haben versucht klar zu machen, dass 14 Songs schon mehr sind als man gewöhnlich bekommt, aber das Label wollte unbedingt noch Zusatzmaterial. Insgesamt haben wir 17 Lieder aufgenommen und „Home“ und „Zero“, die jetzt in den USA zusätzlich enthalten sind, sind keinesfalls schlechter als das andere Material, sie haben schlichtweg nicht so gut zum Rest gepasst. Im Fall des Japan-Tracks hatten wir das Gefühl, dass die Nummer noch nicht fertig war, selbst wenn sie komplett aufgenommen worden ist. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir den Song zurück gehalten und den Chorus noch einmal überarbeitet. Sie wollten ihn dann aber unbedingt für die japanische Version, also haben wir ihn dann doch freigegeben. Eventuell erscheint eine überarbeitete Fassung auf unserem nächsten Album – mal sehen.

 

Um eine andere Veröffentlichung von euch gibt es ein bisschen Konfusion, nämlich die „Live in Amsterdam“ DVD. Die sollte inzwischen eigentlich längst als DVD mit Bonus-CD erschienen sein, wird aber bei den Versandhäusern in schöner Regelmäßigkeit nach hinten verschoben, obwohl die „Basic-Version“, auf welcher allein das Live-Konzert enthalten ist, bereits seit einiger Zeit zu haben ist. Ich vermute mal dem liegen rechtliche und geschäftliche Ursachen zu Grunde?

 

Genau so ist es, denn Universal muss uns erlauben, diese Songs noch einmal zu veröffentlichen. Darum hängt das ganze Projekt nach wie vor etwas in der Schwebe, aber unser Management arbeitet an einer Lösung und meines Wissens nach sind wir mittlerweile auf einem guten Weg. Für uns als Band ist die Situation natürlich trotzdem frustrierend, da wir sehr stolz auf diese DVD sind und die besagte Deluxe-Edition enthält ja auch noch eine zusätzliche Dokumentation und die erwähnte Live-CD. Wir wollen, dass unseren Fans dieses Material nun endlich zugänglich gemacht wird, immerhin sind die Aufnahmen inzwischen schon zwei Jahre alt. Im Moment bleibt uns nur abzuwarten und weiter darauf zu warten, dass unser ehemaliges Label seine Meinung ändert und uns die Freigabe erteilt. 

 

Es gab vor nicht all zu langer Zeit ein Interview mit Mark in dem er wohl gesagt hat, dass Alter Bridge nach „AB III“ vielleicht keine physischen Alben mehr veröffentlichen werden, sondern sich statt dessen auf EPs und digitale Vertriebswege konzentrieren. Ist das wirklich eine Sache, die bei euch konkret diskutiert wird oder wurde Mark da einfach falsch zitiert?

 

Also ich weiß nicht wie das hier in Europa ist, aber bei uns in den USA sind die Labels dieser Tage ziemlich verwirrt und unsicher was sie tun sollen, weil ihnen das Musikgeschäft zunehmend Rätsel aufgibt. Bei uns haben sich die Konsumenten langsam aber sicher von „Album-Käufern“ zu „Single-Käufern“ entwickelt und kaufen folglich überwiegend einzelne Songs. Unser Management hat uns versucht davon zu überzeugen, dass es keinen Sinn macht viel Geld in ein komplettes Album zu stecken, wenn die meisten Leute ohnehin nur einzelne Songs kaufen wollen. Ich persönlich bin da anderer Meinung. Wenn du „AB III“ als Beispiel nimmst, dann ist dieses Album eine Reise, die vom ersten bis zum letzten Song dauert. Viele meiner Lieblingsalben erzählen auf diese Art und Weise eine Geschichte, zum Beispiel „The Wall“ und „Dark Side of the Moon“ von Pink Floyd. Sie nehmen den Hörer mit auf eine Reise, das haben wir damals auch bei Creed von Beginn an immer versucht. Wenn du nur noch EPs veröffentlichst, dann verlierst du dieses Gefühl und diesen Aspekt der Kunst und damit auch ein bisschen deine Bindung zum Hörer. Ich weiß nicht, ob es die richtige Formulierung ist, aber du minderst die Wertigkeit der Musik und dessen was du der Welt als Band zu sagen hast, wenn du dich für diesen Weg entscheidest. Mein Ding ist das nicht, denn für mich sind Alben vollständige Werke, die als Ganzes gesehen werden sollten. Man weiß aber nicht wie sich die Industrie entwickeln wird und ob diese Philosophie irgendwann ausstirbt. Jeder muss sehen wo er bleibt und nüchtern betrachtet muss jeder seinen Umsatz machen, um existieren zu können. Das Geld ist einfach nicht mehr so im Überfluss da wie es noch vor 15 oder 20 Jahren der Fall war, sodass man sich heutzutage einfach etwas einfallen lassen muss, um seine Stellung halten zu können.

 

Lass mich dir noch eine kurze Frage zu Creed stellen, die du eben erwähnt hast. Warum seid ihr mit dem aktuellen Album eigentlich bisher nicht in Europa gewesen? Es gab eine recht große US-Tour letzten Sommer, aber abgesehen davon habt ihr die anderen Teile der Welt bisher ausgespart. Wie kommt’s?

 

Es wurde viel darüber diskutiert auch in Europa zu spielen, ebenso wie in einigen anderen Gebieten. Die Sommerfestivals wären zum Beispiel durchaus interessant für uns gewesen. Eventuell holen wir das im nächsten Jahr nach, denn wir werden definitiv auf den Open Airs zu sehen sein. Jedoch kann ich jetzt noch nicht versprechen, dass das dann auch mit Creed der Fall sein wird bzw. wie viel Zeit und Gelegenheit uns dafür überhaupt bleibt, immerhin geht es momentan ja vor allem um Alter Bridge. Ein Problem an der Sache ist, dass unser US Label Wind-Up gerade mitten in einem Umbruch steckt, da der Besitzer wechselt. Dadurch hat das letzte Album unter Umständen auch nicht die volle Aufmerksamkeit erhalten, die vielleicht möglich gewesen wäre. Von daher war für „Full Circle“ sicher mehr drin und auch wenn wir wirklich mehr machen wollten in Sachen Tour, mussten wir uns am Ende dem fügen wie das Album gelaufen ist und wie viel Aufmerksamkeit es generieren konnte. Was nicht heißen soll, dass wir nicht mehr zu euch kommen mit Creed. Ich schätze allerdings, dass wir bei unserer nächsten richtigen Welttour bereits ein anderes, neues Album im Gepäck haben werden. Bis dahin haben wir aber noch mindestens ein Jahr, denn 2011 soll vor allem Alter Bridge gehören und zwar in vollen Zügen.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.alterbridge.com