Interview mit Oliver Niklas Schmid von LACRIMAS PROFUNDERE
„Eigentlich hätte ich dieses Wochenende lieber zu Hause bei meinem Sohn und auf der Couch verbracht“, eröffnet ein gut gelaunter Oliver Schmid das Gespräch. „Aber da unsere Single in einer Woche erscheint, haben wir uns einen Ruck gegeben und sind doch hierher gefahren“. Gemeint ist der Auftritt seiner Band LACRIMAS PROFUNDERE beim diesjährigen Wave-Gotik-Treffen, wo die Band in der für das Festival neuen Location mit Namen Kohlrabizirkus auftrat.
Freie
Wochenenden werden für den Gitarristen in naher Zukunft rar gesät sein. Das
neue Album „Filthy Notes for frozen Hearts“ wird am 07.07. in den Handel
kommen und zuvor müssen ausgiebig Interviews gegeben und Klinken geputzt
werden. Da ist man mit der angekündigten Single „Again it’s over“ schon
ein bisschen weiter. Ab 09.06. wird diese erhältlich sein. Der Titeltrack der
Auskopplung bietet Gothic Rock höchster Güte, der aber keineswegs plump auf
Radiotauglichkeit getrimmt wurde, sondern ordentlich Arsch tritt und gegen Ende
sogar den Double-Base-Knüppel aus dem Sack holt. „Wir haben das Schlagzeug
beim Mix für die Singleversion sogar noch zurück genommen“, lacht der
Musiker und fügt an „Und mein Bruder musste dafür sogar noch extra den Text
ändern. Alle ‚Bitches’ ‚fucks’ und ‚Whores’ mussten raus, sonst
hätten wir zum Beispiel in den USA die reinsten Piep-Orgien gehabt. Auf dem
Album sieht das dann anders aus. Da wird geflucht und das Schlagzeug ist voll
aufgerissen“. Eine zweite Single ist ebenfalls schon in Planung, wie Oliver
Niklas exklusiv im sounds2move-Interview verkündet. „Wir werden in Kürze
einen Clip zu ‚My velvet little Darkness’ drehen“, wird auch sogleich ein
konkreter Titel benannt.
Produziert
und gemischt wurde das neue Album von niemand Geringerem als Produzenten Guru
John Fryer, der schon u.a. für Depeche Mode und Him aus herkömmlichen Alben
Genremeilensteine geformt hat. Wenn dieser Name fällt, gerät Mr. Schied ins
Schwärmen. „Der Mann ist eine Legende! Erinner’ dich nur mal an „Razorblade
Romance“ von Him. Die Hits auf diesem Album kennt einfach jeder. Und dieser
Kerl wollte mit uns unsere neue Platte machen. Ist das nicht Wahnsinn?“. Das
ist es in der Tat, denn ein Mann wie Fryer muss schon längst nicht mehr 5 Alben
im Jahr produzieren um über die Runden zu kommen. Aufgrund seiner Referenzen
ist er es, der sich aussucht, mit wem er wann zusammenarbeiten will. „Er hatte
über unseren Publisher Brainstorm unser Album ‚Ave End’ gehört und
daraufhin ist er an uns herangetreten und sagte, dass er gern unser nächstes
Album machen würde. Wir waren erstmal total geehrt, aber natürlich auch
unglaublich geschockt“. Verständlich, denn mit einem solchen Mann im Rücken
ist es geradezu unmöglich, ein schlechtes Album abzuliefern. Vor den Lohn hat
der Liebe Gott aber bekanntlich die Arbeit gestellt. „Er kam damals extra aus
England eingeflogen. Plötzlich stand dieser Typ in unserem kleinen Proberaum,
setzte sich auf unser altes, versifftes Sofa und sagte ‚Dann haut mich mal vom
Hocker’. In dem Moment hätte ich mir fast in die Hosen geschissen“, zeigt
der Gelockte sich offen und ehrlich. „Der Kerl hat einfach nur da gesessen,
sich angehört was wir ihm bis dato vorspielen konnten und dabei zwei Kannen
Kaffee weggesoffen“. Am Ende hatte das Quintett den Mann, der mittlerweile
auch ein eigenes Label führt, überzeugt und es musste nur noch ein Termin
vereinbart werden. Dafür eignete sich ein gemeinsames Abendessen am Besten.
„Er meinte nur, er wolle gern Knödel essen. Also sind wir mit ihm ins Auto
gestiegen und sind in irgendein Restaurant gefahren, wo es welche gab. Am Ende
war die Sache geritzt und wir haben ihn noch am selben Tag wieder zurück zum
Flughafen gebracht“.
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Zum
Album an sich möchte Oliver sich nur ungern persönlich äußern. „Ich mag
einfach alle unsere Alben. Egal ob jetzt die Neue oder unsere frühen Sachen,
die eher in Richtung Doom gegangen sind. Wichtig ist dabei, dass wir die Musik
machen, die uns Spaß macht und wo wir 100% dahinter stehen“. Dann lässt sich
der sympathische Süddeutsche aber doch noch zu überraschend deutlichen Worten
hinreißen: „’Filthy Notes
for Frozen Hearts’ ist halt einfach das Album geworden, das ich
immer machen wollte und das Beste was ich bisher im Gothrock Bereich gehört
habe - wenn das die Mags jedoch anders sehen, werde ich heulen wie ein kleines
Kind!“, lacht der braungebrannte Musiker. „Es ist halt für alle, die von
dem sogenannten Schlagergoth mit Pop die Schnauze voll haben und ordentlich
gerockt werden wollen!“ .Der
vielgelobte Fryer hat ebenfalls eine ganz deutliche Meinung zu „Fithy Notes
for Frozen Hearts“: „Ihm gefällt die Platte unwahrscheinlich gut. Er war
begeistert von dem, was wir gemeinsam geschafft haben. Er meinte sogar, dass
unser Album den direkten Vergleich mit ‚Razorblade Romance’ locker gewinnen
würde“. Große Worte von einem, der es wissen muss, schließlich hat er das
Albums höchstpersönlich produziert. „Mit solchen Äußerungen halte ich mich
lieber zurück“, grinst mir der Manowarrior schelmisch entgegen. „Ich
bekomme jeden Monat verschiedene Musikzeitschriften zugeschickt. Aber die
Interviews überblättere ich immer. Da steht sowieso fast immer Dasselbe drin.
‚Die beste Platte, die wir je gemacht haben’ und solche Sprüche. Es ist
fast immer das gleiche“. Er selbst kennt natürlich auch die Fragen, die zu
solchen Äußerungen seitens seiner Musikerkollegen führen: „In fast jedem
Interview werde ich gefragt, wie ich unsere Musik beschreiben würde. Viele
fangen dann an zu sagen ‚Ja, wir klingen ein bisschen nach XY und hier und da
ist auch AB dabei’ und so weiter und sofort. Das ist doch auch irgendwie
schwachsinnig, oder? Es stellt sich doch auch keiner hin und sagt ‚Wir sind so
was wie Ricola Schweizer Kreuterzucker – nur aus Österreich’. Damit machst
du dich doch nur selbst zur schlechten Imitation“. Interessanter Vergleich mit
dem der Mann nicht ganz Unrecht hat. „Ich glaube, ich gewöhne mir solche Sprüche
zukünftig ab und sage nur noch Sachen wie ‚Wir sind wie Kinderriegel, aber
mit Koks in den Milchkammern’“. Na dann – da muss man erst mal drauf
kommen. „Das muss ich mir für meine Interview-Tour unbedingt merken. Am
Besten schreiben wir das gleich auf. Dann erzähle ich das jedes Mal“, lacht
der Hauptkomponist der Band über so viel Kreativität im Raum und sichtlich
begeistert von so viel einfallsreichem Schwachsinn, der nur so aus der Runde zu
sprudeln scheint. Da soll noch mal jemand sagen, dass auf einem Gothic Festival
nur melancholische, humorlose Schwarzseher anzutreffen sind. „Wir verarbeiten
unsere negativen Gefühle in der Mucke – privat tanzt hingegen oft der Partybär“.
Markus
Rutten – www.sounds2move.de
Link: www.lacrimas.com