Interview mit ANA von LAB 02.2005

Markus: Kannst du was über den Arbeitsprozess zum neuen Album sagen? Ich kann mich erinnern, dass ihr bei den Arbeiten zu „Devil is a Girl“ das Songwriting alle zusammen gemacht habt, mit der kompletten Band.

Ana: Dieses mal wurde das komplette Album in Zusammenarbeit mit einem Produzenten gemacht, Hiili Hiilesma.

M: Eine lebende Legende.

A: Richtig, eine lebende Legende. Das war eigentlich der größte Unterschied zu den Arbeiten in der Vergangenheit. Hiili war die optimale Wahl, denn es war das erste Mal, dass wir mit einem externen Produzenten gearbeitet haben und wir haben die Entscheidung nicht bereut.

M: Also war es für euch keine Frage ob er der Richtige ist? Ihr habt sofort gesagt‚ ´wenn wir die Chance haben ihn zu bekommen nehmen wir ihn sofort’.

A: Ja, definitiv! Solang jemand anderes und nicht wir ihn bezahlen müssen ist das keine Frage! *lacht*

M: Habt ihr in der Vergangenheit darüber nachgedacht nicht mehr mit allen euren Musikern die Songs zu schreiben? So dass zum Beispiel Du und Pekka diese Aufgabe übernehmen. Einfach um vielleicht auch Zeit zu sparen, denn es ist natürlich auch entsprechend schwierig Fünf verschiedene Meinungen unter einen Hut zu bekommen.

A: Nun dieses Mal war es so, dass Pekka (LABs Gitarrist, a.k.a. „Splendid“, Anm. d. A.) das Komponieren übernommen hat und ich die Texte dazu verfasst habe. Aber die Arrangements haben wir später im Studio mit der gesamten Band gemacht. Wir haben die Arrangements meist schon fertig bevor wir zu einem Produzenten gehen. Das selbe gilt für die Grundidee des Sounds und die Stimmung, die wir mit einem Stück erzeugen wollen. Wir wollen solche Sachen gern selbstständig ausarbeiten und Hiili kam erst danach dazu, um aus unserem Grundgerüst ein fertiges Album zu formen. Wir haben auch einige Songideen später fallen gelassen und diese dann gar nicht erst aufgenommen. Somit haben wir von ursprünglichen 14 Songs nur 12 aufgenommen, wovon dann 11 auf dem deutschen Album zu finden sind.

M: Was habt ihr mit „Song No. 12“ vor? Wird der in einer anderen Art und Weise genutzt?

A: Der „Song No. 12“ sollte eigentlich für unsere Plattenfirma in Finnland aufgenommen werden, die den Song gern als Single gehabt hätte. Sie kriegen ihre Single aber nicht, denn wir haben das Stück nicht auf dem Album.

M: Als ich mir das neue Album erstmals anhörte dauerte es etwa 40 Sekunden bis ich wusste ´das ist LAB, dieser Song kann von keiner anderen Band stammen’. Ich finde das Album klingt verdammt gut und es hat diesen echten „LAB-Touch“, aber in einer etwas veränderten Form im Vergleich zu „Devil is a Girl“. War es euch wichtig nicht zu weit von eurem ursprünglichen Sound weg zu driften? 

A: Lass es mich so ausdrücken: Wir wollen uns immer im für uns richtigen Bereich bewegen. Wir sind keine Band, die ständig auf der Suche nach ihrem Sound ist. LAB sind keine Band, die ihren Stil komplett ändern würde, wir agieren immer auf unsere Weise, in unserem Bereich. Wir wollen uns aber natürlich auch weiter entwickeln. Es ist uns wichtig einfach die Inspiration des Moments einzufangen und zu konservieren. Im Vergleich zum vorherigen Album ist die neue Platte auf eine gewisse Weise sehr hypnotisch. Auf „Devil is a Girl“ haben wir diese Sache etwas unter Verschluss gehalten aber auf der neuen Platte entfesseln wir ein wenig das Biest in uns. Das Album ist einfach organischer und weniger mechanisch.

M: Da war ein gutes Stichwort ‚Das Biest entfesseln’. Wir haben euch vor ein paar Wochen in Bad Salzungen auf der Tour mit Xandria gesehen. Da hast du bei eurem Auftritt auch das Biest in dir entfesselt. Wie kommt es, dass du auf der Bühne wie in Trance bist? Liegt es daran, dass du dich in eure Musik hineinsteigerst?

A: *verlegen* Hm, ich weiß gar nicht mehr was ich da genau gemacht habe. Auftritte tun mir immer sehr gut. Wenn die Musik erst einmal begonnen hat bin ich ganz in meiner Welt und fühle mich sicher. Das ist der Platz wo ich hin gehöre und dann ist es mir auch egal wenn die Leute mich evtl. auch mal komisch anschauen. Es ist dann okay für mich vor Leuten zu stehen, ihnen nah zu sein und vor ihnen unsere Musik zu leben. Im Vergleich dazu, wenn ich zum Beispiel Lehrer wäre oder einen Vortrag vor einer Menschenmenge halten müsste, wäre ich wahnsinnig nervös und würde keinen Ton heraus bekommen. Das wäre ein Horror für mich, das musst du dir mal vorstellen *lacht*. Aber bei Konzerten ist das was anderes, auch weil es die Texte sind, die ich selbst geschrieben habe. Die Band ist wie eine Familie und wir kennen einander sehr gut. Außerdem fühlen wir uns mit unserer Musik sehr verbunden. Es fühlt sich sicher an diesen emotionalen Trip durch die Musik zu leben.

M: Mir hat der Auftritt auch sehr gut gefallen. Die Songs kamen klasse rüber, die Performance war toll und es hat einfach alles gestimmt.

A: Das freut mich, ich habe uns leider noch nie live gesehen *lacht*

M: Da verpasst du was, denn wir haben euren 30 – 40-minütigen Auftritt sehr genossen.

A: Soll ich dir mal verraten wie ich mich manchmal fühle nach einem Auftritt?

~ Der Text wird hier im englischen Original abgedruckt, da wir uns nicht anmaßen wollen diese Zeilen durch Übersetzung zu verfremden oder ähnliches.

A: I feel like well fucked. *gelächter* You know… sweady, relaxed, happy and I feel like I want to talk about it. Then, after I cooled down I crawl into the bus and crawl into my bed. 

M: Kommen wir zurück zu eurem Album. Auf der einen Seite passen die Songs perfekt zusammen und die Harmonie unter den Songs ist immer stimmig. Andererseits kann jeder der Songs auch für sich allein stehen. War es euch wichtig die Songs auf diese Art und Weise zu schreiben oder war es purer Zufall?

A: Es ist eigentlich purer Zufall, auch dass das Album ein bisschen nach einem Soundtrack klingt. Wir hatten nicht beabsichtigt, dass die Songs sich so gut aneinander reihen. Und dass die Songs sowohl als Ganzes als auch für sich selbst funktionieren, das ist einfach LAB. Wir packen keinen Füllstoff auf unsere Alben um sie künstlich zu verlängern. Das haben wir nie gemacht. Wir warten dann lieber ab bis wir neue Ideen haben. Die Plattenfirma trat auch schon mit der Idee an uns heran, dass es gut wäre jedes Jahr ein Album zu veröffentlichen, aber es ist einfach so, dass die Welt voller Alben ist und ich kann es nicht leiden wenn ich eine Platte kaufe und dann nur 1-2 gute Stücke darauf sind. Ich finde so was einfach nicht gut. Wir wollen lieber ein Sammlung wirklich guter Songs veröffentlichen, denn ich glaube es ist nicht nötig halbfertige Platten zu veröffentlichen.

M: Ich bin auch der Ansicht, dass Qualität an erste Stelle stehen sollte. In solchen Fällen ziehe ich es vor lieber länger auf ein Album zu warten.

A: Ja, genau. Die Qualität und nicht die Quantität. Ich gebe mir auch Zeit wenn ich unsere Texte schreibe. Ich bin niemand der in 5 Minuten einen Text zusammen bastelt und sich dann damit wohl fühlt. Die Texte müssen auch in die Musik passen und es muss sich für mich gut anfühlen, wenn ich sie singe. Ich will einfach das Beste aus mir herausholen und versuchen was möglich ist, ohne dabei ständig auf die Uhr schauen zu müssen. Die Stücke sind fertig wenn ich finde, dass sie es sind und nicht wenn jemand anderes es mir sagt. Ich hoffe aber auch jeden Tag, dass heute ein wirklich gute Idee habe, das hoffe ich jeden Morgen.

M: Genau, wenn man ein optimales Ergebnis möchte, dann soll man sich auch die Zeit dafür nehmen dürfen.

A: Das ist wahr.

M: Lass uns über das Artwork des Albums reden. Was fällt dir zu diesem Bild spontan ein?

A: *überlegt kurz* Ich mag es. Es war meine Idee.

M: Das Haar geht im unteren Bereich in Dreds über. Sind das komplett deine Haar oder ist das eine Fotomontage? Denn die Haare könnten auch von Pekka sein.

A: Nein, das sind meine Haare. Ich habe Dreds unter meiner normalen Frisur, im Nacken. Ich verstecke das Biest in mir unter einer zierlichen Hülle *schmunzelt*

M: Kommen wir noch mal kurz auf die Tour zu sprechen. Ihr wart mit Xandria und Entwine unterwegs und da gab es sicher die eine oder andere kleine Geschichte. Gibt es eine Sache, an die du dich spontan zurück erinnerst?

A: Hm... In einer Nacht haben ich geweint weil ich einen kleinen Konflikt am Telefon hatte. Als ich am nächsten Tag aufstand und zum Frühstück kam schaute Lisa (Sängerin von Xandria, Anm. d. A.) mich kurz an, zeigte auf den Tisch und sagte dann wie im Chor mit ein paar anderen am Tisch ´Ana, der Kaffee steht dort drüben’. Später brachte Lisa mir Teebeutel und sagte mir, dass ich die für meine Augen brauchen würde. Sie erklärte mir dann, dass kalte, nasse Teebeutel gut wären um die Rötungen unter meinen Augen zu lindern. Außerdem hat sie mir noch Süßigkeiten gekauft und meinte, dass mir das wirklich helfen würde. Das ist mir wirklich am meisten in Erinnerung geblieben. *lacht verlegen*

M: Wie sieht es eigentlich mit Festivals aus? Ihr werdet ja bald mit Zeraphine auf Tour gehen, aber werden wir auch LAB auf deutschen Open Airs sehen?

A: Im Sommer wird es sehr wahrscheinlich ein paar Festivals geben. Eines ist schon ziemlich sicher, aber ich kann mich nicht an den Namen erinnern. Wir werden auf jeden Fall versuchen ein paar Open Airs spielen zu können. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Schweden und anderen Ländern. Hoffen wir das Beste.

M: Glaubst du eigentlich dass es eine bestimmte Zielgruppe für eure Musik gibt?

A: Ich würde sagen, dass es viele Leute gibt, die aus dem Gothic-Bereich kommen und auch unsere Musik mögen. Es ist ziemlich seltsam, dass auch einige fanatische Metalfans, die normalerweise ziemlich brutale Musik hören auf unsere Musik stehen, denn wir sind ja in keinster Weise - sagen wir ‚brutal’ oder ‚extrem hart’. Vielleicht ist es die mentale Härte unserer Stücke, die es schafft unter die harte Schale dieser Leute zu kommen. *verlegenes lachen*. Aber manchmal gibt es sogar keine Mädchen, die versuchen mich nach zu machen. Sie sehen in mir wohl eine Art „Engel mit goldenem Haar“ oder so was. Ihnen scheinen auch die Flügel zu gefallen.

M: Wo wir gerade auf dein Äußeres zu sprechen kommen: Man erkennt bei dir ja auch eine gewisses Maß an „Björk-Elementen“. Es ist ja bekannt, dass du ein Fan von ihr bist.

A: Ja, ich mag sie wirklich sehr. Sie hat etwas neues geschaffen, auch mit ihrer Stimme. Sie singt nie in den normalen, gängigen Arten. Das fasziniert mich. Sie ist ein bisschen wie eine Art fremde Kreatur. Ihre Art und wie sie ihren eigenen Stil erschaffen hat – das fasziniert mich.

M: Hast du noch andere wichtige Einflüsse betreffend deines Gesangs?

A: Naja, das ist schwierig. Ich mochte schon immer Bands wie Kiss, Nirvana, David Bowie oder Hanoi Rocks. Oder auch Duran Duran und AC/DC oder Iron Maiden. Alle meine Idole, Künstler, die ich wirklich mag wie zum Beispiel auch The Doors waren immer männlich. Ich bin aufgewachsen und hab mich immer darüber geärgert, dass ich ein Mädchen bin. Das bedeutet für mich dass ich – für mich – niemals gut singen kann. Schon weil ich mit meiner Stimme nicht so weit runter komme.

M: Aber deine Stimme hat doch etwas außergewöhnliches. Der Wiedererkennungswert ist sehr hoch und es ist meiner Meinung nach die Stimme, welche am besten zum Sound von LAB passt.

A: Oh, danke. Ich finde mich langsam damit ab keinen Schniedel zu haben *lacht verlegen* . Wenn ich schon ein Mädchen bin, dann bin ich vielleicht wenigstens die beste Ana, die es gibt.

Aber es gibt auch eine Sängerin, die noch nicht so alt ist wie meine männlichen Idole und die mir sehr gefällt: Shirley Manson von Garbage. Besonders auf dem ersten Album, das ist purer Sex. Das ist die Art von Musik zu der ich gehöre. Ich finde ihre Stimme „geil“ im wahrsten Wortsinne und besonders der Kontrast zwischen ihrer Stimme und der Musik gefällt mir.

M: Textlich dreht sich euer neues Album ja um einen gefallenen Engel, der zwischen Himmel und Hölle hin und hergerissen ist. Spiegeln die Texte einen persönlichen Bezug wider oder basieren die Texte auf Träumereien und Einbildungen?

A: Das ist definitiv ein Teil von mir selbst und meiner psychischen Struktur. Ich finde ich bin eigentlich eine sehr freundliche Person aber ich kann auch laut werden. Außerdem bin ich manchmal unordentlich. Ich würde mich selbst schon als einen guten Menschen bezeichnen, aber das Tier in mir ist auch vorhanden. Manchmal will das Biest in mir einfach raus und dann muss ich seine Gelüste befriedigen. Aber böse bin ich ganz sicher nicht.

M: Das kann man bei euren Auftritten ja auch sehen. Im einem Moment steht du noch zurückhaltend, fast schüchtern da und von einer Sekunde auf die andere explodierst du wie ein Vulkan. Ich sehe das ganze positiv, denn diese Sache fesselt den Zuschauer auch auf eine ganz gewisse Weise.

A: Ja, es kommt immer auf meine Stimmung an. Ich kann schnell von einem schläfrigen Zustand in einen Aufgedrehten wechseln. Das ist einfach mein Wesen. Und die Musik basiert ja auch auf Emotionen und somit ist diese ganze Sache sehr präsent auf der Bühne. Ich weiß auch eigentlich nie wie der Gesang aus mir heraus kommt, das kann von Tag zu Tag unterschiedlich sein. Ich habe einen ziemlich eigenwilligen Stil zu singen und wenn ich auf die Bühne gehen, dann benutze ich meinen ganzen Körper um zu singen. Das ist auch der Grund warum das neue Album mit einem dynamischen Mikrofon aufgenommen wurde. Ich kann nicht singen wenn ich steif vor einem Studiomikrofon stehe, denn ich muss mich bewegen können. Ich hab nur wenige der langsamen Passagen auf diese Weise eingesungen. Die schnelleren Sachen wie „Raining Dogs“ oder „Superhero“ habe ich aufgenommen während ich auf einem Sofa lag, die Beine über die Rückenlehne in die Luft gestreckt. Das muss ich einfach so machen, denn so singe ich auch auf Konzerten. Ich kann nicht einfach nur still dastehen und ich weiß, dass ich mich einfach bewegen muss um diese Stimme aus mir heraus zu bekommen. Das kann ich nicht ohne meinen ganzen Körper dafür zu benutzen.

M: Ihr habt ein sehr schönes Video zu „When Heaven gets Dirty“ gedreht. Es spielt glaube ich in Berlin. Am Ende des Clips durftest du mit einem Vorschlaghammer ein Auto demolieren. Warst du da nicht voll in deinem Element?

A: *mit stolzer Stimme* Das kannst du aber glauben! So was kann man nicht jeden Tag machen. Der Vorschlaghammer, den ich benutzt habe war riesengroß und verdammt schwer. *singt* „So I can destroy!!!“ *lacht* .  Ich denke ich war ziemlich gut darin dieses Auto kurz und klein zu schlagen. Ich hab die Angst in den Augen unseres Regisseurs Alex gesehen, als er sah wie ich diese Scheiben zertrümmert habe. Im Prinzip hätte der Hammer auch abprallen und mich treffen können. Ich wurde geboren um zu zerstören!

Interview + Übersetzung: Markus Rutten - www.sounds2move.de