Interview
mit BJÖRN GELOTTE von IN FLAMES
Markus:
Euer neues Album sollte laut Anders (Friden, Sänger von In Flames, Anm.
d. Aut.) erst auf den Namen „Crawl through Knives“ hören, jetzt heißt
es aber doch „Come Clarity“. Wie kam es dazu, dass ihr euch noch mal
umentschieden habt? Björn:
„Crawl through Knives“ war der erste Song, der überhaupt fertig
gestellt wurde und auch einer der ersten, die einen festen Titel hatten.
Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass man einen Namen braucht wenn ein neues
Album entsteht, damit alle wissen um was es geht und man sich in gewisser
Weise auch daran gewöhnen kann. Dieser Titel symbolisiert, dass man nicht
aufgeben soll und immer für etwas kämpfen muss. Aber als die Musik
fertig aufgenommen war und auch alle Texte niedergeschrieben waren
erkannte man erst den Flow, den die Song haben und den Spirit, den sie
versprühen. „Come Clarity“ war einfach repräsentativer für das
Album und seinen Vibe. Es verdeutlicht wofür man eigentlich gearbeitet
hast und wir alle haben gesagt ‚Ja, das ist es’. Wir haben die letzten
beiden Jahren hart gearbeitet und viel live gespielt, erst als Headliner
und dann 2005 als Support und anschließend das Album gemacht.
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B: Ja, definitiv. Jedes unserer Alben ist immer eine aktuelle Momentaufnahme der Band und das gilt besonders für das neue Album. Dieses Album steht in gewisser Weise für unsere gesamte Karriere, vom ersten Tag bis heute. Alle bisherigen Alben haben ihren Teil zu „Come Clarity“ beigetragen und den Sound und die Songs definiert. Das Album ist also nicht nur eine Bestandaufnahme sondern auch eine Retrospektive. M: Für
den Song „Dead End“ habt ihr mit der schwedischen Singer-Songwriterin
Lisa Miskovsky zusammengearbeitet. Keine alltägliche Kooperation, weil
sie eigentlich komplett andere Musik macht als es In Flames tun. Wie seid
ihr mit ihr zusammen gekommen? B:
Wie du richtig recherchiert hast ist sie eigentlich eine reine
Singer-Songwriterin und damit meilenweit von der Musik entfernt welche In
Flames machen. Aber wir hörten immer wieder von Freunden, dass sie privat
auf Metal steht und besonders auf In Flames. Das hat uns sehr überrascht,
aber wir fanden das ziemlich cool. Dann haben wir uns gedacht, dass wir
vielleicht mal was mit ihr zusammen machen könnten, vielleicht einen
Akustik-Song für sie schreiben oder etwas in der Art. Als wir sie dann
getroffen haben verstanden wir uns ziemlich gut und dann kamen wir auf die
Idee, dass sie auch einen der aggressiven, schnellen und harten In Flames
Song singen könnte. Auch wenn das natürlich etwas komplett Neues für
sie war. Aber so haben wir es dann gemacht und ihre schöne, kraftvolle
Stimme harmoniert sehr gut mit Anders’ wütenden Screams. M: So
etwas ist natürlich immer interessant zu sehen, wenn Musiker aus
eigentlich verschiedenen musikalischen Richtung zusammen etwas machen, das
dann auch so überzeugend funktioniert. B: Vollkommen richtig. Das habe wir in der Vergangenheit auch schon getan als wir zum Beispiel Sachen gecovert haben, die eigentlich eine völlig andere Baustelle waren. Das hat super funktioniert. So etwas ist immer ein sehr interessantes Experiment und wir hätten selbst nicht erwartet dass es letztendlich so gut funktionieren wird. |
M:
Werden denn außer Lisa noch andere Gäste auf „Come Clarity“ zu hören
sein? B:
Hm... Nein, dieses Mal nicht. Wir haben ein paar Pläne für einige Leute,
die wir gerne Mal dabei hätten – für Solos oder etwas in dieser
Richtung. Aber bisher gab es keinen Grund dafür und es fehlte auf „Come
Clarity“ auch der gewisse Rahmen für solche Sachen. Das Album klingt
einfach „fertig“ für uns so wie es jetzt ist und wir wollten auch
nicht gezwungen viel reinstecken, was nicht notwendig war. M: Zu
„Take this Life“ habt ihr kürzlich einen Clip gedreht. Kannst du
diesbezüglich schon Details nennen oder ist das Ganze noch in der Mache?
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B: Details zum fertigen Clip kann ich dir im Moment leider noch nicht nennen, aber inhaltlich geht es um die soziale Realität. Die Aussage ist erst einmal „Das Leben ist Scheiße“ und zieht einen runter. Dann wird daraus aber ein Hilferuf und es geht darum sich selbst aufzurütteln um weiter zu machen und aus dieser Situation herauszukommen und nicht aufzugeben. Das symbolisiert auch der Song an sich. Man soll stark sein und warten bis seine Zeit gekommen ist. Denn es wird immer eine Chance geben. M:
Wird es zu dem Song eigentlich auch eine richtige Single geben wie vor
zwei Jahren mit „The Quite Place“? Oder ist das Video in erster Linie
als Werbung für euer Album gedacht? B: Um
ehrlich zu sein weiß ich gar nicht genau was die Plattenfirma vor hat.
Aber das kann passieren. Und „Take this Life“ ist auch gut dafür
geeignet, denn er ist einer der schnellsten Songs die wir je geschrieben
haben und gleichzeitig funktioniert er auch sehr gut, weil er einen
wirklich catchy Refrain hat. Es wäre eine gute Sache, aber normalerweise
machen wir einen Clip primär um ein bisschen Werbung für unsere Alben zu
machen. Wir werden sehen. M: Wenn ich mir das Album im Gesamten anhöre, habe ich den Eindruck, dass man zu Beginn einen recht leichten Einstieg bekommt, was bei „Soundtrack to your Escape“ nicht unbedingt der Fall war. Dieses Album war verhältnismäßig düster, ein bisschen progressiv, sperrig und nicht so leicht greifbar. War es euch wichtig dieses Mal eine Platte zu machen, die es dem Hörer nicht so schwer macht?
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B:
Also hauptsächlich wollten wir für die Songs wieder einen fetten Chorus
haben, was ja schon bei „Soundtrack“ der Fall war. Ich denke das ist
uns gelungen. Wir haben aber nicht gesagt die Songs sollen eingängiger
oder melodiöser werden. In erster Linie wollten wir den Schwerpunkt von
„Come Clarity“ mehr auf die Gitarrenmelodien und die Gitarren an sich
legen. Das war schon immer ein wichtiger Aspekt von In Flames, nur haben
wir das beim letzten Album etwas zurückgestellt. Wir wollten also keine
„leichte Kost“ bieten, sondern haben das gemacht was wir eigentlich
schon immer getan haben.
M:
Und ihr habt im Vergleich zum Vorgänger mehr aufs Tempo gedrückt. B:
Auf jeden Fall. Das war auch eine Sache, die uns sehr wichtig war.
Teilweise haben wir im Proberaum gesessen und uns gegenseitig angefeuert:
‚Schneller, noch schneller, schneller... Ja! Jetzt ist es perfekt’
*lacht*. Erst als wir es kaum noch spielen konnten waren wir zufrieden.
Das verleiht den Songs diese gewisse Energie. Nur irgendwann erreicht man
halt auch seine Grenzen und dann muss man es auch gut sein lassen. M:
Ihr seid in den letzten Monaten verstärkt durch die USA getourt,
beispielsweise mit dem Ozzfest. Glaubst du, dass der Aufenthalt dort sich
in irgendeiner Weise hörbar auf den Sound eures neuen Albums ausgewirkt
hat? B: Nein, das kann ich glaube ich guten Gewissens ausschließen. Wir haben die Musik so gemacht, wie wir es immer getan haben. Das heißt ich und Jesper (Strömblad, ebenfalls Gitarrist bei In Flames, Anm. d. Aut.) haben uns mit unseren Gitarren und ein paar Six-Packs ausgestattet, zusammengesetzt und dann Melodien und Song-Fragmente entworfen und zusammengefügt. Aber was sich in der Tat im Vergleich zu früher geändert hat ist, dass wir heutzutage ein stärkeres Augenmerk auf die Produktion und die Arrangements haben. Wenn du auf Tour bist, dann lernst du unheimlich viel über deine Songs und machst dir beim Komponieren auch Gedanken, ob du die Songs auch zu 100% live spielen kannst. Darüber haben wir uns früher kaum Gedanken gemacht, als wir Alben wie „The Jester Race“ oder „Whoracle“ gemacht haben. Und das ist auch der Grund dafür, dass wir die meisten Songs aus dieser Zeit heute kaum mehr live spielen. Sie funktionieren einfach nicht auf diese Art und vor allem nicht so gut wie die jüngeren Stücke. Das ist eigentlich eine ganz einfache Lektion, die du aber nur lernst wenn du live spielst.
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M: Ihr
werdet im März und April dann auch durch Europa touren und habt für
diese Shows Sepultura ins Boot geholt, was ein heißer Tanz zu werden
verspricht. Nach einem solchen Package lecken sich viele Fans sicher schon
die Finger. Habt ihr die Jungs persönlich eingeladen mit euch Europa
heimzusuchen?
B:
Ja, wir haben das selbst gemacht. Wir wollten unbedingt mit ihnen touren.
Es ist interessant zu sehen wie diese beiden Bands den Leuten einheizen
und sicher wird es auch spannend ihnen auf die Finger zu schauen. Wir sind
große Fans von Sepultura und es ist uns eine Ehre, dass sie mit uns auf
die Reise gehen wollen. Das ist ein „Kick-Ass-Package“ vom feinsten.
*lacht* M: Da
wird sicher noch mindestens eine weitere Band dazu kommen müssen, die
allabendlich eröffnet. Eigentlich kann diese Band einem schon jetzt leid
tun *lacht* B:
*lacht* Oh ja, da hast du wohl recht. Sepultura werden wohl kaum als erste
Band auf die Bühne steigen. Ich denke es werden noch 2 Bands dazu kommen,
die eröffnen. Aber da ist noch nichts gebucht. Und Sepultura haben genau
das gleiche Problem wie wir wenn es darum geht nur ein kurzes Set zu
spielen. So ging es uns auf dem Ozzfest. Weißt du wie lang wir da Zeit
hatten? Zwanzig Minuten. Wie soll man sieben Alben in nur zwanzig Minuten
quetschen? Das ist unmöglich. Zum Glück haben wir dieses Problem auf
unserer eigenen Tour nicht.
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M:
Und wie habt ihr diese kurze Zeit beim Ozzfest dann letztendlich
gestaltet? B:
Das war ein ganz neues Publikum für uns und wir wussten zuerst auch nicht
was wir am besten spielen sollten. So beschränkten wir uns dann letzten
Endes auf jüngeres Material. Wir haben „Pinball Map“ vom „Clayman“-Album,
„Cloud Connected“ von „Reroute to Remain“ und “A Touch of
Red”, “My sweet Shadow” und “The Quite Place” von “Soundtrack
to your Escape” gespielt, also nur Stücke der letzten drei Platten. Tja und das war es dann auch schon, 5 Songs und fertig.
*lacht* Die waren da rigoros und kennen keine Grade. M:
Wenigstens wurdet ihr nicht schikaniert und mit Eiern beworfen wie Iron
Maiden. Hast du die Geschehnisse mit ansehen können? B: Oh
man, das ist verabscheuungswürdig! Wir waren natürlich da, aber ich persönlich
habe es nicht gesehen. Ein enger Freund von uns, der auch unser Fotograf
ist, hat es gesehen. Er war zu diesem Zeitpunkt als einziger noch im
Photograben und war somit ganz nah am Geschehen. Übrigens sind es seine
Bilder, die jetzt überall im Internet und in den Magazinen zu sehen sind.
Das ist wirklich eine traurige Geschichte, die zeigt, dass Sharon Osbourne
denkt sie könne nahezu alles tun und würde ungestraft davon kommen. So
etwas macht man einfach nicht, denn wir sind nicht im Kindergarten. Was
soll das? M:
Und so etwas macht man erst recht nicht mit einer Band wie Iron Maiden. B: Da
hast du verdammt recht. Die Leute haben außerdem teure Tickets für diese
Show gekauft und Iron Maiden waren zudem der Headliner des Abends, alle
sind wegen ihnen gekommen. Black Sabbath waren eigentlich nur der
Rausschmeißer und haben als allerletzte Band gespielt. Es ist auch nicht
bei den Eiern geblieben. Maiden wurde mehrmals die PA abgedreht, Personen
sind während dem Set auf der Bühne herumgerannt und lauter solche scheiße.
Denk nur an die vielen Leute, die diese teuren Karten nur gekauft haben um
ihre Helden Iron Maiden zu sehen – die sind regelrecht verarscht worden.
Ein echtes Armutszeugnis. M: In
Flames sind bekanntlich auch Helden für viele jüngere Bands. Zumindest
ist die Zahl derer, die euch als einen ihrer Haupteinflüsse nennen nicht
eben gering. So etwas erwartet man wohl kaum, wenn man anfängt Musik zu
machen, oder? B:
Nein, definitiv nicht *lacht* . Aber jeder fängt an Musik zu machen, weil
ihn eine Band dazu inspiriert hat. Man hat irgendetwas gehört und das
bringt dich dazu auch ein Instrument in die Hand zu nehmen. Ich meine
niemand fängt an und sagt ‚Eines Tages bin ich auch einer von diesen
Typen, die alle anhimmeln’. Am Anfang möchtest du einfach sein wie
deine Idole, denn sie kriegen alle Mädels, haben viele tolle Songs
geschrieben und stehen vor Tausenden von Leuten auf der Bühne. Und wenn
die Leute irgendwann so etwas über dich sagen... Dann fühlst du dich
erst einmal verdammt alt *lacht*. Aber okey, wir machen das jetzt auch
schon ein paar Jahre lang und man hat so viel in die Band rein gesteckt
und investiert, da ist es toll wenn du etwas zurück bekommst. Das
wichtigste an der Sache ist, dass die Leute versuchen es uns gleich zu tun
und die Inspiration nutzen um diese Einflüsse vielleicht mit etwas
komplett anderem zu verbinden und so etwas neues zu schaffen. Eine neue
Band oder einen neuen Stil oder was auch immer. Das haben wir auch getan
und es ist cool, wenn Leute aus verschiedenen Sachen ihre eigene Identität
entwickeln. Dann erst bin ich sicher, dass wir etwas wirklich großartiges
geschaffen haben, denn alles andere wären Coverbands wenn du verstehst
was ich meine. Und davon gibt es Unzählige. M:
Und warum sind deiner Meinung nach ausgerechnet In Flames eine so
einflussreiche Band geworden, an der sich so viele orientieren? B:
Das ist wirklich schwer einzuschätzen. Aber ich vermute es ist nicht nur
wegen der Melodien oder der klassischen Riffs oder der Aggression. Es ist
ein Mix aus all diesen Sachen plus der Art und Weise wie wir über Musik
denken. Wir haben viele Freiräume in unserem Schaffen und müssen nicht
in eine extreme Richtung gehen. Aber wir können es eben tun - und
gleichzeitig einen Song wie „Evil in a closet“ oder ein Depeche Mode
Cover machen. All diese Sachen können wir nur umsetzen, weil wir uns
niemals festgelegt haben. Wir genießen eine künstlerische Freiheit, die
Bands wie AC/DC oder Iron Maiden vielleicht nicht mehr haben, weil sie
ihren Sound einfach gefunden haben und auch dabei bleiben. Meiner Meinung
nach können wir uns jederzeit verändern und ich schätze viele junge
Musiker möchten auch einmal solche Freiheiten genießen und einfach etwas
anderes machen als die meisten Formationen. |
Interview + Ausarbeitung: Markus Rutten - www.sounds2move.de / 01.2006
Homepage: www.inflames.com