Interview mit FLORIAN von HELANGAR

sounds2move: Wie ist die Idee dazu entstanden gerade einen Roman wie „Schlafes Bruder“ zu vertonen?

Florian: Einerseits ist es ein Buch, dass uns alle sehr fasziniert und bewegt hat, andererseits ist es mehr als bloß ein Buch über einen verkannten Musiker im 18. Jahrhundert, sondern regt viel mehr zum Nachdenken über die unterschiedlichsten Lebensbereiche gerade auch in der heutigen Zeit an:

Wir haben alle eine hervorragende musikalische Ausbildung an der Musikschule schon seit frühster Kindheit bekommen. Unsere Eltern, die Schule und unser Umfeld haben uns immer in dem, was wir gemacht haben unterstützt und haben uns geholfen unsere Talente zu entwickeln, wofür wir natürlich auch sehr dankbar sind. Aber es gibt eben nicht nur im Jahr 1803, sondern auch noch heute genügend Jugendliche, die ihren Eltern am Arsch vorbeigehen und die von der Gesellschaft keine Chance kriegen, obwohl sie auch Talente hätten, die sie gerne entwickeln würden. Diesen Jugendlichen wollen wir mit unserer Musik Mut machen.
Johannes Elias Alder wird trotz all dieser widrigen Umstände Musiker und sein Scheitern ist nicht auf die Musik, sondern sein liebloses Elternhaus zurückzuführen. Und auch das ist aktueller den je, denn wie viel Jugendliche verwahrlosen heutzutage, fühlen sich von ihren Eltern nicht geliebt, wissen nicht, wie sie ihren Platz in der Welt finden sollen und sind unfähig mit anderen Menschen soziale Kontakte aufzubauen. Diese gesellschaftliche Schande wollen wir thematisieren und für Verständnis werben für alle, die anders sind. Denn gerade dieses Anders-sein, ist ein kostbarer Schatz, wessen sich unsere Gesellschaft aber immer noch nicht wirklich bewusst ist! Wovon sollen denn Anstöße und Veränderungen ausgehen, wenn nicht von denjenigen, die quer zum Mainstream denken und handeln?

sounds2move: Waren von Anfang an alle Bandmitglieder von der Idee überzeugt, oder brauchte es auch ein wenig Überzeugungsarbeit?

F: Natürlich hatten nicht alle gleichzeitig den gleichen Gedanken ;-) Wir haben uns überlegt womit wir uns gerne auseinandersetzen würden und da wir uns alle einig waren, dass wir uns mit irgendwelchen Fantasy-  oder Herzschmerz-Themen nicht wirklich identifizieren können, waren wir uns eigentlich recht schnell über das Buch verständigt.

sounds2move: Wie seid ihr eigentlich an die Rechte für„Schlafes Bruder“ gekommen? Ich meine, bei einem Internationalen Bestseller wie diesem Buch ist das sicherlich nicht ganz einfach oder?

F: Wir haben uns als erstes an den Verlag gewandt, der uns die E-Mail Adresse von Robert Schneider gegeben hat mit der Bitte, uns direkt mit ihm auseinander zusetzen. Wir haben dann etwas über uns geschrieben und warum wir meinen, dass wir das auch entsprechend umsetzen können und er fand unsere Ideen zunächst mal ganz interessant.

sounds2move: War es schwer die Geschichte in das richtige textliche Konzept umzuwandeln?

F: Naja, leicht war es sicher nicht, zumal wir dem Buch natürlich gerecht werden wollten, allerdings haben wir es nie als Belastung, sondern mehr als Herausforderung gesehen.

sounds2move: Musikalisch setzt ihr voll und ganz auf vertrackte Melodien, die dem Hörer die ganze Aufmerksamkeit abverlangt. War es von Anfang an klar, dass sich die Songs in solch einem anspruchsvollen und auch nicht leicht zugänglichen Rahmen bewegen würden? Oder hat sich das von alleine so ergeben?

F: Ich denke, dass ist einfach ein Teil unseres Stils, wir schreiben nie bewusst schwere oder leichte Lieder.

 

sounds2move: Stand nie zur Debatte das Album musikalisch eher eingängig zu gestaltet, um es so dem Hörer ein wenig leichter zu machen?

F: Nein, wir empfinden es auch nicht als besonders schwer, was aber auch verständlich ist, wenn man die Musik selbst geschrieben hat.

sounds2move: Bestand nie Zweifel, dass ihr mit eurer Umsetzung dem emotionalen Kern der Geschichte nicht gerecht werden könntet?

F: Die Gefahr besteht natürlich immer, egal, wie man an so ein Werk herangeht. Wir haben uns davon nicht beeinflussen lassen sondern einfach versucht, das Ganze so gut es geht umzusetzen.

sounds2move: Das Booklet zu „Schlafes Bruder“ ist mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet. War es euch wichtig, dass auch die Optische Komponente der Geschichte gerecht wird und somit die Musik unterstützt?

F: Uns ist es immer wichtig ein Gesamtkunstwerk zu schaffen und da gehört natürlich auch das Booklet dazu. Ich käme mir ziemlich scheiße vor, wenn ich jemandem eine CD verkaufen würde, von der ich nicht bis ins letzte Detail überzeugt bin.

sounds2move: Das doch sehr surreale Cover wurde ja von eurem Gitarristen Johannes Mentzel gemalt, während das Layout und die Konzeptgestaltung des Booklets von Dir (Bass & Grim. Vocals) übernommen wurde. Habt ihr beiden einen dementsprechenden Background für jene Funktionen?  

 

F: Johannes malt schon sehr lange und möchte nach seinem Afrikaaufenthalt wahrscheinlich auch Kunst studieren. Das Cover ist ja bloß ein Ausschnitt, das gesamte surreale Werk ist auf der Rückseite zu sehen. Wie lange er daran gearbeitet hat, weiß ich nicht, da das Ganze aber 3m x 1m groß ist, war es schon ne ganze Weile. Für ihn gilt aber das Gleiche wie für mich, da wir uns beide in unserer Freizeit intensiv mit solchen Dingen beschäftigen, ist es für uns sehr schön, sich auch noch auf diese Art in die CD einzubringen.  

sounds2move: Wie lange hat es gedauert bis Johannes Mentzel ein passendes Cover für „Schlafes Bruder“ entworfen hat? Es war ja sicherlich nicht leicht ein solch ein komplexes Thema in einem Bild zusammenzufassen?

F: Das Bild entstand natürlich in Absprache mit uns, er hat dann immer wieder Teile fertig gestellt und dann haben wir uns wieder zusammengesetzt und uns das weitere Vorgehen überlegt.

sounds2move: Auf eurer Homepage habt ihr ein Zitat vom Autor Robert Schneider veröffentlicht, in dem er eurer Leistung lobt? Kann man also daraus schliessen dass er durchwegs mit dem Album zufrieden ist oder hatte er auch was zu kritisieren?

F: Nein, kritisiert hat er uns nicht. Ich denke er ist mit der CD durchaus zufrieden. Das freut uns natürlich sehr, zumal er ja sogar Komposition studiert hat.

sounds2move: Wie wichtig ist euch die Meinung der Musikpresse? Könnt ihr mit Kritik gut umgehen oder eher nicht?

F: Natürlich ist uns die Meinung von anderen, nicht nur der Presse wichtig. Es hilft einem ein Stück zurückzutreten und das eigene Schaffen kritisch aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Was nicht heißt, dass wir uns jede Kritik zu Herzen nehmen. Mit der Zeit lernt man sowohl mit positiven, wie negativen Stimmen kritisch umzugehen.

sounds2move: Gab es einmal eine negative Kritik die ihr ganz und gar nicht nachvollziehen konntet? Und wenn ja, was stand so drin?

F: Wenn man Musik macht, die derart komplex empfunden wird, ist es klar, dass es auch negative Stimmen gibt. Diese halten sich jedoch zu unserem eigenen Erstaunen sehr in Grenzen, wir hätten mit einer stärkeren Polarisierung gerechnet.

sounds2move: Euer neues Album wurde sicherlich auch schon von ein paar musikalischen Kollegen angehört. Wie fällt eigentlich die Resonanz von anderen Musikern auf „Schlafes Bruder“ aus?

F: Das unterscheidet sich nicht wirklich von der Fachpresse, denjenigen mit denen wir gesprochen haben, gefällt die Musik sehr gut.

sounds2move: „Schlafes Bruder“ wurde ja auch schon sehr erfolgreich verfilmt. Was haltet ihr von der Verfilmung?

F: Sie betrachtet das Buch aus einem anderen Blickwinkel als wir das tun. Während wir uns besonders mit dem Menschen und seinen Gefühlen auseinandersetzen, stellt der Film den Musiker in den Vordergrund. Eine Herangehensweise die, für einen Film eher möglich ist als für eine Musik-CD. Die Musik „eines der größten Musikers aller Zeiten“ zu vertonen, wäre uns anmaßend vorgekommen.  Auch, wenn es uns dann schließlich doch gelungen ist;).  

sounds2move: Würde es euch auch reizen einen anderen Roman zu vertonen und wenn ja welcher wäre das?

F: Natürlich stellen wir schon wieder Überlegungen an, wie es nun weitergehen soll. Allerdings haben wir noch keine konkreten Pläne. Es beschäftigt vielmehr jeden einzelnen erstmal für sich. Sicherlich wird auch darüber gesprochen werden sich nochmals mit einem Buch auseinander zusetzen, dass hat aber alles noch ein wenig Zeit.  

 

sounds2move: Nach „Evening in Valhalla“ ist „Schlafes Bruder“ schon eure zweites Konzeptalbum. Woher kommt diese Vorliebe für Konzeptalben?

F: Es stellt einfach eine größere Herausforderung dar, ein Album zu schaffen, dass in sich geschlossen ist, anstatt nur Lieder aneinander zureihen. Diese größere Herausforderung, verschaffte uns einfach im Nachhinein eine größere Befriedigung.

sounds2move: Könnte ihr unseren Lesern ein paar Konzeptalben empfehlen, die man laut eurer Meinung unbedingt mal gehört haben muss.

F: Ich kann da nur für mich sprechen, aber mir fällt da eigentlich nicht viel ein. Vielleicht „Nightfall in Middle-Earth“ von Blind Guardian oder „Six degrees of inner turbulences“ von Dream Theater.

sounds2move: Bisher unterwerft ihr euch ja nicht den Zwängen des Musikgeschäftes. So steht ihr z.B. bei keinem Plattenlabel unter Vertrag und managet euch auch selber. Wo liegen für euch den die Vorteile von diesem „Unabhängigen“ Status?

F: Wir müssen weder im Studio noch beim Songwriting irgendwelche Deadlines einhalten und können für uns entscheiden, wann wir der Meinung sind, dass ein Album fertig ist. Außerdem können wir mit den Menschen arbeiten, die wir für die richtigen halten und bekommen nicht Produzenten an die Seite gestellt. Es ist uns sehr wichtig, besonders auch im Studio eine angenehme Atmosphäre zu haben und sich eher wie bei Freunden als bei „Geschäftspartnern“ zu fühlen.

 

sounds2move: Und mit welchen Nachteilen ist diese Freiheit verbunden?

F: Wir können unser Album nicht so bewerben, wie wir das gerne täten. Zwar haben wir auch jetzt beispielsweise im Sonic Seducer eine 1/4seitige Anzeige geschaltet, so was muss aber immer gut überlegt und kalkuliert sein und erfüllt auch bloß eine begrenzte Wirkung, da wir einfach nicht das Budget haben, das etwas breiter zu tun. Außerdem ist es leider immer noch so, dass man vor allem von den Print-Magazinen ohne Plattenvertrag nicht wirklich ernst genommen wird.

sounds2move: Gab es eigentlich schon Anfragen von Plattenfirmen, die euch unter Vertrag nehmen wollten?

F: Für unsere erste Platte hatten wir ein Angebot für eine zweite remasterte Aufnahme vorliegen, was dann aber am Widerstand unseres ehemaligen Keyboarders scheitern musste, der sich weigerte einer Veröffentlichung zuzustimmen. Für „Schlafes Bruder“ gab es bisher kein Angebot, wir haben uns aber auch ehrlich gesagt nicht wirklich darum bemüht.

sounds2move: Wie würdet ihr die deutsche Metalszene umschreiben? Was gefällt euch daran und was eher weniger?

F: Schön ist sicherlich die Vielfalt, eher schlecht finde ich die Engstirnigkeit vieler ihrer Mitglieder.

sounds2move: Gibt es eine Band aus dem Untergrund, die laut eurer Meinung zu wenige Aufmerksamkeit erhält und das obwohl sie es verdient hätte?

F: So etwas ist immer schwer zu beurteilen, wann hat man denn genug Aufmerksamkeit? Es gibt sicherlich einige gute Bands mit denen wir auch befreundet sind, Torian zum Beispiel oder Silverlane. Auch Basilisk die demnächst wieder ein neues Album veröffentlichen werden, sind meiner Meinung nach gut.

sounds2move: Schaut man sich auf eurer Homepage die Linkliste ein wenig genauer an, so stößt man auch auf einen Link zu den Schweizern von Lunatica. Wie kommt’s? Kennt ihr die Band und wenn ja, wie gefällt euch die Musik?

F: Mit Lunatica haben wir einen Linktausch gemacht, als wir für ein Konzert mit ihnen im Rahmen der Mob Rules/Domain-Tour dieses Jahr in der Schweiz gebucht waren. Zur Musik kann ich gerade nichts sagen, sie wirkten allerdings durchaus sympathisch.

sounds2move: In eurer bisherigen Konzertlaufbahn seid ihr 2 Mal auf Equilibirum gestoßen. Wie gefällt euch diese Band und die Musik die sie machen?

F: Equilibrium kennen wir schon etwas länger und haben sie auch neben den Konzerten schon öfters mal getroffen, bspw. Backstage bei ihrem Summer Breeze Auftritt. Ein sehr sympathischer Haufen, auch wenn uns musikalisch nicht mehr so viel verbindet. Hannes studiert mit ihrem ehemaligen Schlagzeuger Henning zusammen in Heidelberg Medizin, sodass auch über diesen Weg eine gewisse Verbundenheit besteht.

sounds2move: Welche Bands würdet ihr als eure Vorbilder bezeichnen?

F: Wenn ich jetzt anfange Vorbilder zu nennen, werden wir in Zukunft bloß nur noch mit denen verglichen. Ich finde es viel interessanter durch Vergleiche in Reviews Bands, die ich bisher nicht kannte zu entdecken, wie kürzlich z.B. Dornenreich. Außerdem gibt es auch keine direkten Vorbilder, da der Musikgeschmack des Einzelnen viel zu sehr variiert.

sounds2move: Was hört ihr eigentlich Privat für Musik?

F: Das ist wie gesagt sehr unterschiedlich, wer sich da genauer für interessiert, kann auf unserer Homepage (www.helangar.de, Anm. d. Aut.) alle Infos zu den einzelnen Mitgliedern bekommen. Ich höre zurzeit recht gerne In Flames und Dream Theater.

sounds2move: Neben der Musik geht ihr sicherlich auch noch eine zusätzlichen Arbeit nach. Welche wäre das?

F: Wir sind alle  - bis auf unsere Sängerin die gerade noch Abi macht und erst ab Herbst studiert - Studenten. Auch dazu steht noch mehr in den Profilen jedes Einzelnen zum genaueren nachlesen auf der Homepage.

sounds2move: Abschließen noch einen Blick in Zukunft. Gibt es schon Pläne oder Ideen für euer drittes Album?

F: Bisher nicht. Da wir bis Herbst nicht wirklich viel Zeit haben werden, an neuem Material zu arbeiten, sondern durch Abi, Staatsexamina etc. immer wieder längere Pausen einlegen müssen, werden wir uns erst mal auf die Live Präsentation des aktuellen Albums konzentrieren und uns dann frühestens in der 2. Jahreshälfte, wenn sich jeder ausreichend Gedanken dazu gemacht hat, damit auseinander setzen.

Interview: Nando Rohner, Ausarbeitung: Nando Rohner + Markus Rutten - www.sounds2move.de

Homepage: www.helangar.de