Interview mit Herman Li von DRAGONFORCE (inklusive sinnvoller Zwischenrufe von Vadim Pruzhanov und Sam Totman )

Herman Li Vadim Pruzhanov Sam Totman

 

MB: Ihr seid ja gerade auf Europa-Tour mit Edguy. Wie läuft es bis jetzt?

HL: Ganz gut eigentlich. Der übliche Tour-Kram eben. Keine großen Dramen oder so, nichts, was wir nicht schon gesehen hätten...

MB: Hier  in Deutschland seid ihr, im Gegensatz zu den England-Shows, nicht der Headliner, sondern "Special Guest" von Edguy. Wie lange können die Leute euch also auf der Bühne sehen?

HL: Wir werden so um die 45 Minuten spielen. Nichts wirklich spezielles also, auch wenn wir "Special Guest" sind, haha.

MB: Touren ist euch ja schon immer sehr wichtig gewesen. Habt ihr da auch schon mal dran gedacht, ein Live-Album aufzunehmen?

HL: Nö nicht wirklich, denn ich denke, Live-Alben sind total langweilig. DVDs sind was anderes, weil du da die Band sehen kannst, aber Live-Alben... Ich meine, du gehst doch auch zu einer Show, um die Band zu sehen, nicht nur, um die Songs zu hören. Live ist eben alles, nicht nur der Höreindruck. Niemand geht zu einem Konzert und schließt die Augen, verstehst du? Ich meine, klar, wenn wir das machen würden, würden sicher viele Leute das kaufen, aber das geht uns am Arsch vorbei, haha.

MB: Wie sieht es denn dann mit DVD-Plänen aus? Habt ihr da schon was in Arbeit, oder ist das noch in weiter Ferne?

HL: Also, es sind schon einige Shows fürs Fernsehen aufgenommen worden. In Japan beispielsweise haben wir ne komplette Show mitgefilmt, in London auch ein paar Songs, und wir werden auch wieder was filmen, aber nichts für eine DVD oder so. Für eine DVD brauchst du einfach alles, es reicht nicht, ne Headliner-Show zu spielen, und ne DVD aufzunehmen, wenn man grad zwei oder drei Alben draußen hat. So viele Bands machen das, aber am Ende kommt fast immer nur Scheiße dabei heraus.

 

MB: Ihr nennt euren Stil "Extreme Power Metal", oder zumindest eure Plattenfirma tut das. Warum "Extreme"?

HL: Weil die Leute immer denken, dass wir Power Metal sind, aber eigentlich haben wir gar nicht so viele Power-Metal Elemente, vom Gesang vielleicht mal abgesehen. Ich meine, wir haben frisches, druckvolles Death-Metal-Drumming, die Gitarren sind kein Power Metal, die Keyboards sind auch kein Power Metal. Nichts davon ist Power Metal. Nur aufgrund des Gesanges, der melodiös ist, nennt man uns Power Metal. "Extreme Power Metal" also deswegen, weil es verrückter und extremer ist als das, was man normalerweise Power Metal nennt.

MB: Du hast es gerade gesagt: Auf "'Inhuman Rampage" habt ihr eine riesige Bandbreite von Elementen, wie zum Beispiel Black Metal-Backings, Death Metal-Drumming und sogar Videospiel- Klänge.  Was sind eure konkreten Einflüsse?

HL: Schon wieder: Alles! Weißt du, wir hören seit X Jahren Metal, und eigentlich haben wir nie was anderes gehört. Wir hören Death Metal, Trash Metal, von Slayer über Morbid Angel bis hin zu Bon Jovi. Wir glauben es ist besser all diese Einflüsse in einer einzigen Band zu verarbeiten, als einfach 4 unterschiedliche Bands zu haben.

 

MB: Gibt es irgendwas, das ihr nie für Dragonforce verwenden werdet? Gibt es stilistisch generell ein Tabu für euch?

HL: Naja, für die Alben weiß man nie. Aber live gilt sicher, dass wir nie stillstehen werden auf der Bühne, das ist doch auch langweilig. Wir gehen zu so vielen Konzerten, mit großartigen Bands, die geile Alben haben, aber wenn du sie siehst, stehen sie bloß da, gucken auf ihre Füße und auf ihre Gitarren, und lassen ihren Sänger rumposen. Davon halten wir gar nichts...

MB: Woher nehmt ihr eigentlich die Energie für euere Wahnsinns-Auftritte?

HL: Wir spielen eben keinen Midtempo-Softrock oder so. Wenn du so schnell spielst, dann verhältst du dich halt so, rennst rum etc.. Ich meine, stell dir vor, ich spiele in diesem Tempo und stehe dabei still rum. Ich glaube, das ist ganz normal....

MB: Ihr habt letztes Jahr beim Wacken Open Air spielt. Edguy haben auch dort gespielt, und nun seid ihr mit ihnen auf Tour. Wie wichtig war dieses Festival für euch im Bezug auf euren Namen und eure Bekanntheit hierzulande?

HL: So wie immer. Jede Show ist gleich wichtig, egal ob Iron Maiden-Shows, Headline-Shows oder was auch immer. Wir gehen da immer gleich ran, " Go and Destroy", haha. Aber für Deutschland war es sicher wichtig, weil wir hier noch nicht so viel gespielt haben.

MB: Euer erstes Album, "Valley of the Damned" wurde 2003 veröffentlicht, und nun haben wir 2006, nur drei Jahre später, und Album Nummer drei ist da. Habt ihr nicht manchmal Angst, dass die Band etwas zu schnell wächst?

HL:  Das erste Album sollte ja eigentlich 2001 schon rauskommen, aber da kam eben der ganze Bullshit mit Plattenverträgen und Labels dazwischen, deswegen hat es solange gedauert. Aber das Songwriting war schon 2001 abgeschlossen. "Sonic Firestorm" kam 2004, und das ist jetzt auch schon zwei Jahre her, von daher war es eigentlich ne lange Zeit...

 

MB: Ich bin mal ein wenig durch euer Forum gesurft, und bin da auf so verrückte Posts gestossen wie zum Beispiel: " Oh mein Gott, ich hab Herman Li`s Haare angefasst", und ähnlich verrückte Sachen. Ist euch das nicht manchmal zuviel des Guten?

HL: Die machen vermutlich eh nur Spaß oder so. Aber unsere Fans sind eigentlich total cool, da gibt es keine Probleme.

MB: Es gibt eine Sache, die euch die Presse nachsagt und zwar, dass ihr die einzige echte Power Metal-Band aus England seid. Mir selbst sind zwar Bands wie INTENSE oder POWERQUEST, wo ein paar von euch vorher auch gespielt haben, bekannt, aber ich wurde auch schon gefragt, ob wir nun eine "New Wave of British Power Metal" erwarten müssen...

HL: Ach, alle reden immer nur von Power Metal, Power Metal hier, Power Metal da. Ich sage: Es ist Metal! So ist es doch. Die Kombination macht es aus. Leider denken viele Leute: Hey, Melodiöser Gesang, das ist Power Metal! Gitarrensoli, das ist Power Metal! Gitarrensoli ja, aber auf welchem Level?  Die Drums, mit welchen Tempo? Blastbeats! Wenn wir den Gesang ändern würden und ZP stattdessen kreischen oder growlen täte, würden die Leute nicht mal an Power Metal denken. Klar gibt es auch in England Bands, aber die spielen eben auf die alte Art. Die kombinieren nicht, sondern spielen einfach nur ihren Stil runter. Die sind auch vom Alter her entsprechend angesiedelt. Aber es gibt diese Bands natürlich, wie zum Beispiel die TYGERS OF PAN TANG oder BLAZE und so weiter. Der Begriff Power Metal ist so weit gefasst, da ist es doch gut, wenn man das gesamte Metal-Spektrum abdeckt. Die meisten Bands, die man "Power-Metal-Band" nennt, spielen doch eigentlich Hardrock. TEN sind beispielsweise mehr Power-Metal als EDGUY, verstehst du?

 

MB:  Ja, auch wenn viele anders denken... Aber zurück zu Dragonforce: Ihr seid eine sehr internationale Band, mit Musikern aus mittlerweile 6 unterschiedlichen Nationen. Lebt ihr auch über Europa verstreut?

HL: Nein, wir leben alle in London. Wir waren leider nicht schlau genug, um uns vorher Gedanken über die Weltherrschaft zu machen, haha...

MB:  Die letzte große Neuigkeit war, das ihr euer Line-Up mit Frederic Leclerq komplettiert habt, der nun Bass bei euch spielt. Wie habt ihr ihn gefunden?

HL: Ich kannte ihn, weil er ja früher bei HEAVENLY gespielt hat. Er hat da Keyboards gespielt, als ich ihn getroffen habe. Und wir brauchten jemanden, der uns am Bass hilft, eigentlich nur vorübergehend. Und irgendwie sind wir dann auf ihn gekommen. Denn er ist eigentlich ja Gitarrist, und wir glauben, Gitarristen sind cooler. Als Gitarrist kann er Bass spielen, und wir wollen auch nicht, dass er 20 Soli pro Show spielt, sondern den Rhythmus hält.

MB: Okay, lass uns etwas über "Inhuman Rampage", das neue Album sprechen. Es ist heavyer, schneller, und vor allem "sicker" als alles, was ihr früher gemacht habt.

HL: Sicker? haha....

VP: Yeah Man! That`s true! That`s really SICK SHIT!!!

HL: Ich glaube, du bist der erste Deutsche, den ich dieses Wort sagen höre....That`s very american English: Sick Shit!!! Du hast es verstanden!

VP: Not bad, Man!

Danke, danke...

 

MB: Ich weiß, es ist schwer für einen Musiker, diese Frage zu beantworten, aber warum sind Dragonforce so einzigartig?

HL: Also, wir versuchen, die nächste Generation von der Musik zu erschaffen, die wir selber auch hören. Wir glauben der sogenannte Power-Metal hatte "Power", aber die wird immer weniger heutzutage. Die ganze Szene wird kommerziell und geht den Bach runter. Wir mögen Death-Metal, finden aber den Gesang langweilig. Wir nehmen das und natürlich auch viel aus der Prog-Ecke. Ich meine, ich höre viel Zeug wie Steve Vai und so, aber so viele Gitarrensoli wollen die Leute nun auch nicht hören, weil sie eben Gesang haben wollen. Und dazu kommt dann eben auch noch Hardrock und jede Menge anderes Zeug. Und das beschränkt sich auch nicht nur auf die Alben, das betrifft auch die Bühnenperformance. Viele Bands holen sich Pyros, einen guten Licht-Techniker, und das gibt ihnen die Möglichkeit, auf der Bühne still rumzustehen. Aber das ist doch totale Scheiße. Du kannst Pyros kaufen, du kannst Licht kaufen, aber die Band kannst du nicht kaufen. Wir glauben dass wir gerade wirklich das Beste aus uns rausholen . Manche Leute denken, wir sind genauso wie HAMMERFALL. Ich meine ich bin nicht hier um diese Leute zu erziehen, aber sehen wir mal wie das in ein paar Jahren aussieht...

MB: Warum ist die Geschwindigkeit auf "Inhuman Rampage" so konstant hoch? Ihr mögt keine Midtempo-Songs, oder?

HL: Ich mag Mid-Tempo, aber in einer ganz anderen Art von Musik! Ich glaube, die Musik, die wir spielen, ist einfach besser, die Melodien sind griffiger, wenn sie schnell ist, da ist einfach viel mehr Energie. Wir mögen schnellen Power Metal. Viele Bands machen erst einen schnellen Song, dann einen langsamen, dann wieder schnellen, und dann eine Ballade oder so ähnlich. Wir glauben: Wenn alle Songs schnell sind, dann sind alle Songs gut. Das ist unsere ganz eigene Theorie, manche mögen es, manche nicht. Aber ich kann da wieder auf diese "anderen Bands" zu sprechen kommen: Die spielen doch meistens alle Mid-Tempo. Warum beschwert sich kein Magazin darüber? Nur weil wir anders sind, werden die Leute hellhörig. But it`s a loosing Game all the Way...

 

MB: "Inhuman Rampage" und auch schon "Sonic Firestorm" haben die Messlatte sehr hoch gelegt. Macht ihr euch nicht manchmal Sorgen, wie ihr das mit dem nächsten Album noch toppen könnt?

HL: Als wir "Sonic Firestorm" gemacht haben, wussten wir auch nicht, was wir als nächstes machen würden. Es braucht schon Zeit, um das ganze zu absorbieren, Ideen zu sammeln fürs nächste Album. Im Moment kann ich dazu gar nichts sagen, weil wir uns da keine Gedanken drüber machen. Wir schreiben auch keine Songs. Wir warten  damit auch mindestens ein Jahr, weil wir uns dann auch erst wirklich wieder weiterentwickelt haben, und das ist auch nötig, um weiterhin innovativ genug zu sein.

MB: Gibt es bei euch denn einen Hauptsongwriter, oder macht ihr das alle zusammen?

HL: Also, Sam schreibt viele Songs, ich schreibe Songs, aber auch Vadim - und ZP schreibt die Lyrics. Und wir arbeiten das dann alles zusammen aus. Wenn nur eine Person sich mit dem Songwriting beschäftigt, ist das zuwenig für den Song.

MB: Du hast gerade kurz die Lyrics angesprochen. Ihr habt ein wenig von diesem "Swords in the Wind"-Touch, auch wenn ihr keinesfalls Poser-Metal wie MANOWAR spielt. Was wollt ihr mit den Texten ausdrücken?

HL: Es ist ja nicht nur diese Krieger-Romantik. Manche Texte handeln von Drachen und Schwertern, meinen aber was ganz anderes. Wir lassen die Bedeutung gerne offen, damit die Leute die Texte auf ihr eigenes Leben beziehen können. Aber wir versuchen, die Leute mit dem Albumcover, mit einem Albumtitel wie "Inhuman Rampage", und Songtiteln wie "Revolution Deathsquad", "Operation Ground and Pound", welche viel abwechslungsreicher sind als diese ganze "Eternity" oder "Cry"-Scheiße und zum Nachdenken anzuregen: "Hey, da geht's ja gar nicht um Drachen oder um Schlachten!"

MB: Das Album wurde offiziell am 09.01. veröffentlicht, aber der Rough Mix und diverse Promo-Kopien waren schon Anfang September online. Wie denkt ihr über diese ganze Thematik?

HL: Was mich da am meisten dran aufregt, ist, dass die Leute sich den Rough Mix runterladen, und wenn sie ihn scheiße finden, sagen sie, das Album ist scheiße. Aber verdammt, es ist doch noch gar nicht fertig! Am Ende ist es sowieso nicht weiter schwierig herauszufinden welcher verdammte Journalist seine CD ins Internet gestellt hat, aber irgendwie ist es mir auch egal. You know, we care, but we don`t care! Ich meine, wir haben auch nichts zu verstecken. Die Leute hören das Album, und finden es gut oder schlecht. Wir haben es nicht nötig, ein schlechtes Album zu machen, damit die Plattenfirma es dann einfach ins unermessliche hypt. Wenn du es kaufst ist uns das alles egal. Du musst entscheiden, ob es dir gefällt oder eben nicht.

MB: Ok, das war's dann auch. Irgendwelche letzten Worte an unser Leser und an die deutschen Dragonforce-Fans?

HL: Die letzten Worte überlasse ich Sam Totman

ST: Hey, vielen Dank an alle, die unser Album gekauft haben...

HL: Ja, und das sind sehr viele in Deutschland, haha...

 

Interview + Ausarbeitung: Michael Bruns - www.sounds2move.de

Link: www.dragonforce.com