Interview mit Björn Düßler von 4LYN
Ganze vier Jahre wartete man - da habt ihr eurem Namen ja alle Ehre gemacht - auf ein Lebenszeichen von Hamburgs selbst ernannter „most famous band you’ve never heard of“. Ganze vier Jahre wart ihr albumtechnisch von der Bildfläche verschwunden. Hier und da mal ein Live-Gig, gelegentlich mal eine kleine Clubtour, aber nie so wirklich konstant präsent. Anno 2012 heißt es im Hause 4LYN wohl wie der Phoenix aus der Asche zu steigen. Was hat sich zwischenzeitlich getan?
Anfang
2011 waren wir dann mit dem ganzen Quark durch. An dem Punkt war für
uns einfach wieder eine Art Startschuss da. Wir wollten von da an
wieder Gas geben, die Köpfe waren einfach wieder frei. Die ganze
Scheiße, die um uns herum passiert ist, dieses Ungewisse, das hat uns
die ganze Zeit schon ziemlich bedrückt. Es hemmt einen gänzlich, wenn
man ständig abends ins Bett geht und nicht weiß, wie es den nächsten
Tag weiter geht. Diese Blockade war Anfang 2011 dann endlich weg. Es
war wie eine Art Befreiung. Als würde man wieder aufatmen können.
In den vier bzw. drei Jahren, in denen man wirklich gar nichts von uns
gehört hat, haben wir uns hauptsächlich um unser Privatleben gekümmert.
Wir haben uns alle normale Jobs gesucht, haben unseren geregelten
Tagesablauf gehabt und uns eben dadurch über Wasser gehalten. Mussten
wir ja auch, weil mit Musikmachen war ja in dem Moment nicht mehr
wirklich viel. Wir haben das nie an die große Glocke gehängt. Uns war
es wichtig, dass man uns nach wie vor als Musiker wahrnimmt und dass
eben keine Gerüchte zu kursieren beginnen, 4LYN würden sich auflösen.
Diese Absicht hatten wir zur keiner Zeit, es war einfach eine schwere
Zeit für die Band, aber diese ist jetzt vorbei.
Zum Glück, kann man da nur sagen.
Zum
Glück – das kannst du wirklich laut sagen.
Nachdem wir wieder frei waren und nachdem diese Kopfblockade endlich
beiseite gelegt werden konnte, stand das letzte Jahr dann wirklich im
Kreativmodus. Wir haben uns im April letzten Jahres für ein paar Wochen
nach Rømø verfrachtet und haben uns da in ein Ferienhaus einquartiert.
Dort haben wir mit der nötigen Kreativität und völlig ohne den Zwang,
ein Album schreiben zu müssen, neue Musik kreiert. Wir hatten keine
Hintergedanken daran, dass während dieses Prozesses unbedingt eine
Platte entstehen muss. Wir wollten ganz locker an die Sache herangehen,
ganz unbefangen ein paar Ideen sammeln und mal sehen, was dabei
entsteht. Plötzlich hatten wir über 60 Ideen. Davon konnten wir eine
Menge sehr, sehr gute Ideen heraus picken, die natürlich am Ende auch
auf das neue Album gekommen sind. So ging dann also 2011 für die
Produktion drauf.
Man kann die vergangenen vier Jahre im Grunde genommen so aufteilen:
drei Jahre Stress, ein Jahr Freude und Kreativität.
Mit „Quasar“ geht am 11. Mai 2012 euer 6. Studioalbum an den Start. Sichtlich erholt, energiegeladener und wieder ein Stück weiterentwickelt – man könnte fast sagen, wir haben es 2012 mit einer Reloaded-Version von 4LYN zu tun. Worin liegt denn deiner Meinung nach der wesentliche Unterschied zwischen 4LYN zu Zeiten von beispielsweise „Hello“ und der Band jetzt kurz vor dem Release von „Quasar“?
Der Unterschied im Songwriting zum Beispiel liegt ganz klar darin, dass alle Songs wieder in Gemeinschaftsarbeit entstanden sind. Wenn du dir die alten Platten anhörst oder dir die Credits anschaust, dann siehst du, dass damals zwei Leute am Songwriting beteiligt waren. Das war zum einen unser ehemaliger Gitarrist René und Ron. Wir haben uns jetzt seit langer Zeit wieder zusammen hingesetzt und eben zu viert an Ideen gebrütet. Das war aus unserer Sicht total erfolgreich. Vor allen Dingen ist das auch etwas, das für die nötige Abwechslung sorgt. Du hast nicht mehr einen Typen, der sein Ding durchzieht, sondern du hast vier Musiker, die versuchen, alle ihre Ideen unterzubringen. Daraus resultierend eröffnete sich eine unglaubliche Dynamik bereits während des Songwriting-Prozesses. Da kommen von einer anderen Person Ideen, auf die du selbst nie gekommen wärst. Dieser Entschluss hat sich zum Einen enorm positiv auf die Songs ausgewirkt und zum Anderen auch auf das gesamte Bandgefüge, weil alle Mitglieder gleichberechtigt auf diesem Album sind. Jeder fühlt sich als ein Teil von 4LYN und wieder so richtig vollwertig. Wenn du mich fragst, strahlt genau das besonders nach außen.
Nach vollzogenem Label- und Managementwechsel, wie du bereits erwähntest, und der anschließenden Suche nach dem passenden Nachfolger, wurde nun erstmals seit zwölf Jahren ein Album in Richtung Konzeptalbum produziert. Hinzu kommt, dass alle Bandmitglieder einen Beitrag geleistet haben. Hast du denn persönliche Favoriten auf der Platte? Welche Songs liegen dir besonders am Herzen?
Ich habe auf jeden Fall meine Favoriten auf der Platte. Zum Einen „Both of us“ und zum Anderen „Frost“, das sind so meine geheimen Lieblinge. Davon aber ganz abgesehen, finde ich zum ersten Mal gar keinen Song wirklich scheiße. Ich komme auch gut auf den Opener „My Guide“ klar. Das ist auch eine unglaublich fette Nummer, wenn du mich fragst. Ganz besonders am Herzen liegen mir gerade die Songs, in denen Dennis Gitarrensoli – auch ein neues Element, das wir in der Form so noch nie in unseren Songs hatten – eingespielt hat, die kommen einfach ziemlich cool.
Welche Erwartungen hast du denn an die neue Scheibe? Stellt „Quasar“ einen Abschluss mit der Vergangenheit und gleichzeitig den Beginn eines neuen Kapitels in der Geschichte der Band dar? Was bedeutet dieser helle Stern für dich?
Aber natürlich ist das ein neues Kapitel, das wir aufschlagen. Nach all der Scheiße, die uns in den letzten Jahren passiert ist, der ganze Trouble, den wir an den Hacken hatten, haben wir versucht, einen Deckel drauf zu machen. Wir waren zu dem Zeitpunkt neu zusammengestellt, wir hatten ein neues Bandmitglied – schließlich ist es ja Dennis' erste Platte mit uns zusammen – ja, einfach alle Zeichen standen auf Neuanfang. Hinzu kommt, dass wir als Band zu dem Entschluss kamen, dass wir uns sprichwörtlich resetten wollten. Wir wollten noch einmal bei Null anfangen. Der feine Unterschied besteht jetzt darin, dass wir wirklich alles selbst machen. Früher haben wir uns in gewissen Bereichen noch auf andere verlassen. Wir haben gemerkt, dass es immer besser ist, selbst die Kontrolle zu haben. Das ließ sich jetzt so durchsetzen. Wir sind an allen Entscheidungen komplett zu 100 Prozent beteiligt. Alles, was gerade passiert, alles was du gerade von der Band hörst, ist auch von uns abgesegnet. Jedes Bild, das veröffentlicht wird, jedes Stück Musik, das Album, jedes Poster, das abgedruckt wird – alles, was man demnächst von uns hören und sehen wird, ist auch wirklich von uns. Niemand anders hat seine Finger da im Spiel – das ist wirklich zu 100 Prozent 4LYN. |
Heller Stern in einer fremden Galaxie – das sagt zumindest die Definition eines „Quasars“ aus. Kann man es wirklich so sagen, dass 4LYN mit dem neuen Album wie ein heller Stern in einer fremden Galaxie auftaucht?
Ja, in gewisser Weise schon. Gerade dadurch, dass sich die Songs extrem
von dem alten Material unterscheiden, ist es schon wie eine Art
Transportation in andere Sphären, wenn du es so willst.
Jetzt im Nachhinein macht das alles total Sinn. „Quasar“ war zu Beginn
eigentlich nur ein Wort, das uns erst einmal nur gefallen hat, weil es
irgendwann mal ein Arbeitstitel von einem Song war. Nach einem
irrsinnig langen Nachmittag bei Dennis in der Küche, an dem wir nach
einem passenden Titel für das Album gesucht haben und nach acht Stunden
die Suche schon vertagen wollten, kam Dennis und sagte: „Ich habe da
noch eine Idee. Was haltet ihr denn von Quasar?“. Wir haben uns
gegenseitig angeschaut und waren uns sofort einig: „Alter, das ist der
Hammer“. Kaum war der Name gefunden, sprudelten die Ideen. Wir haben
bei Wikipedia nachgeschaut, was ein Quasar wirklich ist und alles, was
in diesem Artikel stand, fanden wir total geil und zutreffend zu
unserer Situation. Das war wie das bekannte Arsch-auf-Eimer-Prinzip.
Genau diese Situation der Findungsphase hat uns wirklich extrem
gepusht. Wir waren uns sicher, dass das Album einfach „Quasar“ heißen
muss und dass da überhaupt kein Weg daran vorbei führt.
Was man aber nicht außer Acht lassen sollte, ist, dass 4LYN ja nicht
nur irgendein Bandname ist. 4LYN ist der Name eines Sterns. 4LYN(x) ist
einer von den vielen Sternen im Sternzeichen Luchs, und Luchs heißt auf
Englisch LYNx. Aufgrund von Katalogisierarbeiten lassen wir das „x“
eben weg, damit man eine Abkürzung hat. Es gibt also wirklich den Stern
4-LYNx, genauso wie es 1-LYNx und 52-LYNx gibt. Vielleicht gerade
deswegen hatten und haben wir das Gefühl, dass die Kombination dieser
Sternsymbole einfach unglaublich gut zusammenpasst. Es passt alles in
einen Hut, und deswegen muss das auch alles so sein, wie es gerade ist.
Sicherlich ist es nie leicht, ein Album zu schreiben, das alle im gleichen Maß vom Hocker haut. Eure Vorabsingle „Club Exploitation“ spaltete die Nation – aus der einen Richtung kommen Vorwürfe, ihr hättet die 4LYN-Seele an den bösen, bösen Mainstream verraten und verkauft, aus der anderen Richtung Lob über Lob. Mainstream hin oder her - wie wichtig sind euch denn solche Rückmeldungen?
Vorab muss ich an dieser Stelle sagen, dass wir komplett hinter der
Nummer stehen. Wir finden den Song richtig geil, vielleicht auch gerade
weil man sich den Song als Gesamtkunstwerk anhören und nicht zu
vorschnell urteilen sollte. Sicherlich verstehe ich die Leute, wenn sie
sagen, das sei Mainstream. Sie hören den Song und bemängeln dabei den
vorhandenen Disko-Charakter. Unumstritten, der Song hat ein gewisses
Radioformat – passt natürlich alles zu dem Klischee Mainstream. Das
Ding an der Sache ist nur, dass wir versuchen, eine Message an unsere
Hörer zu bringen. Diese Message kannst du aber nur an möglichst viele
Leute bringen, wenn auch möglichst viele auf den Song aufmerksam werden
und ihn hören.
Ich finde nicht, dass wir uns mit dieser Nummer verkauft haben, denn
meiner Meinung nach ist es immer noch eine 4LYN-Nummer. Wenn man „Club
Exploitation“ im Gesamtkontext des Albums hört, wird man ihn sicherlich
auch lieben lernen, denn er passt da einfach rein. Ich glaube, nein,
ich bin mir sicher, dass sich viele Leute erst einmal wie vor den Kopf
gestoßen fühlen werden. Aber gerade diesen Leuten muss man einfach die
nötige Zeit geben. Man gewöhnt sich im Laufe der Zeit an einen gewissen
Sound, vor allem an die alten Sounds. Man hat jahrelang die Lieder
gehört, kennt diese in- und auswendig und hat darunter seine
persönlichen Favoriten. Plötzlich kommt die Band mit neuem Stoff um die
Ecke, und der klingt auf einmal ganz anders, weil es einfach nicht das
ist, was man gewöhnt ist. Und dann erwischt man sich dabei, dass man
auf einmal etwas blöd findet. Man muss sich an gewisse Dinge erst
gewöhnen, bevor man es richtig gut finden kann. Und manchmal – ich
kenne das von mir selber – findet man Songs nach einem halben Jahr viel
geiler als beim ersten Mal, weil man sich dann einfach ganz anders mit
den Songs auseinandersetzt.
So verrufen diese Thematik auch sein mag, aber im Zeitalter schneller Datenübertragungsraten und insbesondere alltäglicher Präsenz sozialer Netzwerke à la Facebook und Myspace erhaltet ihr viel schneller Resonanzen und müsst nicht warten, bis ein Magazin gedruckt oder ein Leserbrief verfasst ist. Wie geht ihr mit dieser Art von Feedback um? Seht ihr darin einen Vor- oder einen Nachteil?
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Einen
Vorteil, ganz klar. Wir betreuen unsere Facebook-Seite überwiegend
selbst und kriegen so wirklich alles, was gepostet wird, hautnah mit.
Das ist uns wirklich sehr wichtig. Es freut einen ja auch, dass nach so
vielen Jahren immer noch solch ein reges Interesse an uns vorhanden
ist. Es ist einfach toll mitzukriegen, wie die Leute abgehen und unsere
Songs posten. Das zeigt uns als Band, dass wir nach so langer Zeit, die
wir ja eigentlich weg vom Fenster waren, immer noch interessant genug
sind. Es werden von Tag zu Tag mehr, und das ist für uns eine Art
Rückmeldung, dass wir immer noch angesagt sind und dass uns Leute immer
noch geil finden. Eine bessere und direktere Rückmeldung kannst du gar
nicht kriegen.
Premieren gibt es dem Anschein nach nicht nur in Sachen „Konzeptalbum“. Auf „Quasar“ präsentieren sich 4LYN von der sozial- bzw. gesellschaftskritischen Seite. Ob nun in Punkto „klaffende Spalte zwischen arm und reich“ wie in „Club Exploitation“ oder in Sachen „Kompensation mangelnder Charakterstärke durch mehr Geld im Portemonnaie“ wie in „M.O.N.E.Y“ – euren Standpunkt vermittelt ihr klar und deutlich. Wie schon auf den Platten zuvor werden neben den sozialkritischen Thematiken in den Lyrics auch persönliche Begebenheiten verarbeitet. Sei es jetzt in „Jewellery Store“ oder in „10 Minutes ago“. Hart, aber dafür bis auf die Knochen ehrlich – kritisch betrachtet, kann man das als einen Vorteil sehen, wenn auf diese Art und Weise Persönliches – seien es jetzt Erfahrungen, Meinungen oder Kritik – in die Songs gepackt werden?
Vorteil hin oder her, es macht auf jeden Fall Luft. Du hast immer irgendetwas, das dich bewegt, und natürlich schreibt man genau über Dinge, die einen bewegen. Das macht ja dann im gleichen Maße auch die Ehrlichkeit der Songs aus. Wenn du über irgendetwas erzählst, von dem du keine Ahnung hast, dann glaubt dir das am Ende auch keiner. Deshalb ist es schon wichtig, Songs zu schreiben, von deren Inhalt man Ahnung hat. Man hat das selbst erlebt, man hat dieses oder jenes Gefühl dabei gehabt und möchte nun dieses Gefühl in einem Song zum Ausdruck bringen, um so eben anderen Leuten für ihre Momente, die sie erleben, den passenden Soundtrack anbieten zu können. Es gibt immer irgendeine Situation, in der du dich unwohl fühlst oder dich freust, und dazu schmeißt du dir eben den passenden Song ein. Wenn jetzt noch eine Message dahinter steckt, die du nachvollziehen kannst, hat der Text voll und ganz seine Wirkung erzielt. Von daher ist es auf jeden Fall so, dass man beim Texte schreiben durchaus sein persönlich Erlebtes offenbart.
Songs,
die eine Botschaft haben; Songs, denen man dies auf die erste Hörprobe
vielleicht nicht anmerkt; Songs, bei denen Sinn und Verstand eine große
Rolle spielen; Songs, die das Leben schreibt; Songs, die kleben
bleiben. Wie würdest du „Quasar“ mit nur wenigen Worten beschreiben?
Was macht die Platte für dich zu etwas Besonderem? Abgesehen von der sicherlich stattfindenden Promotour, was verraten die Sterne sonst noch im Hause 4LYN? |
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Wir
haben kürzlich ein Festival-Update veröffentlicht, z.B. das
Bochum-Total oder das Open Flair. Es sind aber noch mehr Festivals in
Planung. Diese sind noch nicht bestätigt und demzufolge auch noch nicht
veröffentlicht. Die Tour folgt dann im Herbst. Das ist aber auch erst
einmal das, worauf wir uns konzentrieren wollen. Wir waren so lange
weg, und jetzt müssen wir zusehen, dass wir wieder genau das machen,
was man als Band so macht, wenn man eine neue Platte veröffentlicht.
Wir haben ein paar Promo-Auftritte, aber wir werden auch hier und da
versuchen, ins Radio oder ins Fernsehen zu kommen. Wir werden alles
Mögliche versuchen, aber das ist alles bis dato nur Planung, nichts
Konkretes. Wenn sich da etwas Verbindliches ergibt, gibt es das
natürlich brandaktuell auf unserer Facebook-Seite oder ähnlichen
Online-Portalen nachzulesen. Das Wichtigste für uns ist jetzt, dass die
Platte so gut es geht promotet wird. Jeder soll mitkriegen, dass wir
noch da sind. Jeder soll mitkriegen, dass wir etwas Neues haben. Jeder
soll mitkriegen, was für geile Songs auf dem Album sind und dann sollen
im Herbst nach Möglichkeit im Rahmen der Tour alle Leute mit uns
feiern. Das wäre das, was wir uns wünschen würden. Für jetzt ist uns
wichtig, dass wir den Leuten, die uns wirklich wichtig sind, das
abliefern, auf das so lange gewartet wurde. Was danach kommt, steht
wirklich noch in den Sternen.
Vanessa Vogl – www.sounds2move.de
Fotos by: Sven Sindt